Die prähistorische Evolution... ca. 10.760 bis 9.650 v. Chr.

Ahrensburger Kultur

Die Ahrensburger Kultur, benannt nach dem Fundort Ahrensburg in Norddeutschland, repräsentiert eine spezialisierte Gruppe von Rentierjägern, die während der späten Altsteinzeit aktiv waren. Diese Kultur ist geologisch der letzten Phase der Altsteinzeit, der sogenannten „Tundrenzeit“ oder Jüngeren Dryas, zuzuordnen, die etwa von 10.760 bis 9.650 v. Chr. datiert wird. Der Lebensraum dieser Jäger war das Flachland des nördlichen Mitteleuropas, das zu dieser Zeit von einer endei­szeitlichen Tundra mit vereinzelten Baumgruppen bedeckt war.

Ahrensburger SpitzePrähistorische Evolution

Die Ahrensburger Kultur war eine bedeutende prähistorische Kultur, deren Lebensweise und Technologien die nachfolgenden Epochen der prähistorischen Geschichte Mitteleuropas beeinflussten. Ihr Erbe zeigt die Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft prähistorischer Gesellschaften an ihre Umweltbedingungen.

Die Stellmoor Grabung Foto: Museum für Archäologie Schloss Gottorf

Archäologische Funde…

Bei Ausgrabungen, unter anderem von Alfred Rust, in einer Siedlung im Stellmoor bei Ahrensburg wurden charakteristische Artefakte der Ahrensburger Kultur entdeckt. Dazu gehören Steingeräte wie Stielspitzen und Mikrolithen, die als Pfeilspitzen und ähnliches genutzt wurden. Ebenso fanden sich Werkzeuge wie Kratzer, Stichel und retuschierte Klingen. In einem nahegelegenen verlandeten Tümpel wurden Stein-, Knochen- und Geweihartefakte entdeckt. Das Geweih von Rentieren wurde beispielsweise zur Herstellung von Werkzeugen und Waffen wie Hacken und Harpunen verwendet. Die Jäger lebten in Rundzelten, die als Behausungen dienten.

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Meister der Jagd

Die fortschrittlichen Jagdtechniken und Waffen der Ahrensburger Kultur

Die Jäger der Ahrensburger Kultur verwendeten Bogen als ihre primäre Jagdwaffe. Bei Ausgrabungen im Stellmoor fand Alfred Rust die ersten vollständigen Pfeile aus Kiefernholz mit gestielten Spitzen, einige davon mit durchschossenen Rentierknochen. Diese Funde deuten darauf hin, dass sich mit den neuen Waffen auch die Jagdtechniken veränderten. Im Gegensatz zu den früheren Jägern der Hamburger Kultur, die die Pirschjagd bevorzugten, machten die Jäger der Ahrensburger Kultur bei Treibjagden umfangreichere Beute. In der prähistorischen Welt der Rentierjäger manifestierte sich eine bemerkenswerte Effizienz und Ressourcenknappheit, die sich in ihrer Technologie und ihrem Handeln widerspiegelte. Diese Jägergruppen, die sich hauptsächlich vom Jagderfolg auf Rentiere ernährten, waren Meister des Ressourcenmanagements und betrieben aktives „Recycling“ auf eine Weise, die ihrer Lebensweise und Umwelt angepasst war.

Nachgebildete Pfeile von Jägern und Sammlern. (Foto: Ludovic Slimak; Ludovic Slimak/Ludovic Slimak)

Eine zentrale Praxis dieser Rentierjäger bestand darin, Material zu sparen und wertvolle Ressourcen zu erhalten, indem sie die Überreste ihrer Jagdbeute wieder verwendeten. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür ist die Nutzung von Tierknochen für die Herstellung von Pfeilschäften. Wenn ein Tier nicht getötet wurde und die Pfeilspitze im Körper stecken blieb, fielen die Schäfte oft während des Jagdprozesses ab. Die Jäger erkannten den Wert dieser abgefallenen Schäfte und sammelten sie sorgfältig ein.

Die Rückgewinnung dieser Pfeilschäfte war keine bloße ökonomische Entscheidung, sondern eine Demonstration des tiefen Verständnisses dieser Jäger für die natürlichen Ressourcen und ihrer Umwelt. Es war eine Möglichkeit, die begrenzten Materialien optimal zu nutzen und gleichzeitig die Jagdausrüstung effektiv zu erhalten. Nachdem die Pfeilschäfte gesammelt worden waren, mussten die Jäger lediglich die Pfeilspitzen, die im Tier verblieben waren, extrahieren und sie dann wieder auf die gesammelten Schäfte setzen. Dieser Prozess erforderte Geschicklichkeit und handwerkliches Können, aber er ermöglichte es den Rentierjägern, ihre Jagdaktivitäten fortzusetzen, ohne unnötige Ressourcen zu verschwenden.

Illustration © OpticalArtInc

Bedeutende Fundplätze

Verbreitung der Ahrensburger Kultur

Die Ahrensburger Kultur hinterließ eine beeindruckende Spur archäologischer Fundstätten, die Einblicke in ihre Lebensweise und Verbreitung geben. Unter diesen Fundstätten spielen zwei besonders bedeutende eine zentrale Rolle: Die Höhle Hohler Stein bei Rüthen-Kallenhardt und Meinerzhagen-Valbert im westfälischen Bergland.

Höhle Hohler Stein bei Rüthen-Kallenhardt

Die Höhle Hohler Stein ist ein herausragender Fundplatz der Ahrensburger Kultur im Mittelgebirgsraum. Hier wurden zahlreiche Artefakte entdeckt, die auf die Anwesenheit von Jägergruppen dieser Kultur hinweisen. Die archäologischen Ausgrabungen in der Höhle haben Werkzeuge, Waffen und andere Artefakte ans Licht gebracht, die typisch für die Ahrensburger Kultur sind. Diese Funde umfassen Steingeräte wie Stielspitzen, Mikrolithen und andere Werkzeuge, die von den Jägern für die Jagd und den täglichen Gebrauch verwendet wurden. Die Präsenz dieser Artefakte legt nahe, dass die Höhle Hohler Stein ein wichtiger Lebensraum oder Jagdplatz für die Menschen dieser Kultur war.

Kulturhöhle Hohler Stein, kleiner Eingang (rechts), großer Eingang (links)
Die sog. Stielspitze aus Meinerzhagen-Valbert, mit denen die letzten Rentierjäger vor 12.000 Jahren am Ebbegebirge auf die Jagd gingen. Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/T. Poggel

Meinerzhagen-Valbert im westfälischen Bergland

Eine weitere bedeutsame Fundstelle der Ahrensburger Kultur im westfälischen Bergland ist Meinerzhagen-Valbert. Hier fanden archäologische Untersuchungen statt, die darauf hinweisen, dass Jägergruppen um 10.000 v. Chr. im Frühjahr Rentierherden jagten. Diese Aktivitäten deuten auf die saisonale Bewegung der Jäger hin, die den Rentieren folgten, wenn sie ihre Wanderungen unternahmen. Im Jahr 2021 wurde hier eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: eine Stielspitze aus baltischem Feuerstein. Dieser Fund ist von besonderer Bedeutung, da er auf den Austausch von Rohstoffen und mögliche Handelsnetzwerke in dieser Zeit hinweist. Die Anwesenheit von Feuerstein aus dem Baltikum deutet darauf hin, dass die Menschen der Ahrensburger Kultur weiträumige Handelsbeziehungen pflegten und möglicherweise an einem weitreichenden Austausch von Materialien beteiligt waren.

Die Funde in der Höhle Hohler Stein und in Meinerzhagen-Valbert bieten wertvolle Einblicke in das Leben und die Aktivitäten der Menschen der Ahrensburger Kultur. Sie zeigen nicht nur die geographische Verbreitung dieser Kultur, sondern auch ihre Fähigkeit zum Handel und Austausch von Ressourcen über weite Entfernungen hinweg. Diese Fundstätten sind daher von großer Bedeutung für das Verständnis der prähistorischen Gesellschaften und ihrer Interaktionen in Mitteleuropa.

End/Spätpaläolithikum Epipaläolithikum

STECKBRIEF

01

Name

Ahrensburger Kultur

02

Alter

Circa 10.760 bis 9.650 v. Chr.

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Geographische Verbreitung

Die Ahrensburger Kultur war hauptsächlich im Flachland des nördlichen Mitteleuropas aktiv, das zu dieser Zeit von einer endei­szeitlichen Tundra mit vereinzelten Baumgruppen bedeckt war. Funde und Spuren dieser Kultur wurden hauptsächlich in Norddeutschland, insbesondere in der Nähe von Ahrensburg, sowie in anderen Teilen Mitteleuropas gemacht.

04

Wirtschaftsweise

Die Menschen der Ahrensburger Kultur waren spezialisierte Rentierjäger. Sie lebten von der Jagd auf Rentiere und andere Tiere der Tundra, wobei sie fortschrittliche Jagdtechniken wie den Einsatz von Bogen und Pfeil einsetzten. Diese Kultur zeichnete sich durch effizientes Ressourcenmanagement und aktives Recycling aus, indem sie abgebrochene Pfeilschäfte wiederverwendeten.

05

Architektur und Lebensweise

Die Jäger der Ahrensburger Kultur lebten in Rundzelten, die als Behausungen dienten. Diese Zelte wurden aus verfügbaren Materialien wie Tierhäuten und Holzstangen hergestellt und waren wahrscheinlich leicht zerlegbar, um den nomadischen Lebensstil der Jäger zu unterstützen.

06

Archäologische Merkmale

Die Ahrensburger Kultur hinterließ eine Fülle von archäologischen Artefakten, darunter charakteristische Steingeräte wie Stielspitzen, Mikrolithen, Kratzer, Stichel und retuschierte Klingen. Funde von Werkzeugen und Waffen aus Rentiergeweih sowie Überreste von Pfeilen und Pfeilschäften sind typisch für diese Kultur.

Epipaläolithikums KULTUREN/ INDUSTRIEN

KEBARIEN KULTUR 
ca. 20.000 – 12.500  v.Chr

IBEROMAURUSIEN KULTUR 
ca. 17.000 – 8.000 v.Chr

HAMBURGER KULTUR
ca. 13.700 – 12.200 v.Chr

NATUFIEN KULTUR 
ca. 12.000– 10.200  v.Chr

AHRENSBURGER KULTUR 
ca. 10.760 – 9.650  v.Chr

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