Die prähistorische Evolution... ca. 3,4 bis 2,1 Mio. Jahre

Australopithecus africanus

In der faszinierenden Welt der Anthropologie und Paläoanthropologie erhebt sich Australopithecus africanus als ein emblematisches Mitglied der ausgestorbenen Gattung Australopithecus aus der großen Familie der Hominiden. Seine Spuren sind in den Fossilien verewigt, die größtenteils aus der verheißungsvollen Schicht bekannt als „Member 4“ in Sterkfontein, Südafrika, stammen. Diese Fundschicht, eine zeitliche Kapsel, wird auf ein Alter von 2,5 bis 3 Millionen Jahren datiert. Die genaue Abstammungslinie, von der Australopithecus africanus hervorging, und seine enge Verwandtschaft zu den direkten Vorfahren des modernen Menschen bleiben nach wie vor Rätsel der Evolution. Oft wird diese Spezies, als graziler Kontrast zu den robusten Australopithecinen, charakterisiert, ein Hinweis auf ihre möglicherweise feineren körperlichen Merkmale und Lebensweisen.

Namensgebung

Australopithecus africanus

Die Namensgebung von Australopithecus ist eine reizvolle Verschmelzung aus lateinischem Charme und griechischer Eleganz. Das Prädikat „Australopithecus“ leitet sich von „australis“, dem lateinischen Wort für „südlich“, und dem altgriechischen „πίθηκος“ (píthēkos) für „Affe“ ab. Somit trägt dieser Name die Essenz eines südlichen Ursprungs, eingebettet in die Weisheit der alten Sprachen. Das Epitheton „africanus“ führt uns direkt zum Fundort nach Afrika. In dieser Kombination formt sich die Bedeutung von „Australopithecus africanus“ zu einem poetischen Ausdruck, der „südlicher Affe aus Afrika“ verkündet. Diese Bezeichnung ist nicht nur ein Etikett, sondern eine Brücke zwischen Kontinenten und Epochen, ein Fenster zu unseren fernen Verwandten. Als Typusart der Gattung Australopithecus trägt Australopithecus africanus die Verantwortung, die Essenz und das Wesen dieser faszinierenden Gruppe von Hominiden zu repräsentieren. In seinem Namen ruht die Geschichte einer Ära, die den Weg für die Entdeckung unserer eigenen evolutionären Reise bereitet hat.

Original des Schädels eines A. africanus („Mrs. Ples“) im Transvaal Museum in Pretoria
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Fundgeschichte

Erstbeschreibung und Weitere Funde

Das bedeutendste Fundstück, das zur Einführung der Gattung Australopithecus durch Raymond Dart im Jahr 1925 führte, ist ein bemerkenswert gut erhaltener Fossilfund. Er umfasst den Gesichtsschädel mit Unterkiefer und Milchzähnen, die Stirnregion sowie einen natürlichen Schädelausguss. Dieser bemerkenswerte Fund wurde im Herbst 1924 von einem aufmerksamen Steinbrucharbeiter nahe der Kleinstadt Taung im damaligen British Bechuanaland (heute Südafrika) entdeckt und an Raymond Dart übergeben. Dart erkannte die wissenschaftliche Bedeutung dieses Fundes und benannte ihn 1925 mit dem neu geschaffenen Gattungs- und Artnamen Australopithecus africanus. Dieses Fossil, bekannt als „Kind von Taung“, lieferte wertvolle Einblicke in die frühe menschliche Evolution

Das Kind von Taung Replika Kopie

Weitere Funde: Nachdem die Zuordnung der Gattung Australopithecus zu den Vormenschen jahrzehntelang umstritten war, brachte der Fund des Schädels von Mrs. Ples (Sts 5) in Sterkfontein entscheidende Klarheit. Mrs. Ples, möglicherweise ein „Mr. Ples“, wird heute auf etwa 2,1 Millionen Jahre datiert und ist der jüngste bekannte Fund von Australopithecus africanus. Ein weiteres bedeutendes Fossil, das zur Klärung der Gattung beitrug, ist das nahezu vollständige Skelett, bekannt als Little Foot (StW 573). Little Foot wurde ab 1995 in den Sterkfontein-Höhlen entdeckt, zunächst mit nur vier Knochen vom linken Fuß im Jahr 1994. 1997 folgten weitere Knochenfunde, und 1998 wurde schließlich ein gut erhaltener Schädel entdeckt. Die Knochen sind in einer betonartigen Brekzie eingebettet und noch nicht vollständig freigelegt. Die Datierung der Fundschicht „Member 2“ variiert stark zwischen 2,17 und 3,7 Millionen Jahren.

Einige der ab 1936 in Sterkfontein entdeckten Hominini-Funde, die heute Australopithecus africanus zugerechnet werden, wurden von Robert Broom 1937 zunächst als Australopithecus transvaalensis eingeführt und im Jahr darauf in Plesianthropus transvaalensis („Fastmensch aus Transvaal“) umbenannt. Broom glaubte, diese Fossilien stünden den Vorfahren des Menschen nahe. Den 1947 publizierten Fund von Mrs. Ples ordnete er ebenfalls Plesianthropus transvaalensis zu. 1950 bezeichnete Ernst Mayr solche Funde als Homo transvaalensis. Raymond Dart hatte einige Funde ursprünglich als Australopithecus prometheus ausgewiesen, benannt nach dem griechischen Gott Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte. Dart glaubte fälschlicherweise, dass die frühen Vormenschen Feuer beherrschten, basierend auf geschwärzten Tierknochen aus Makapansgat. Neben Sterkfontein ist Makapansgat ein bedeutender Fundort von Fossilien des Australopithecus africanus. Weitere Funde umfassen einige Zähne aus der Gladysvale-Höhle; aus Taung ist nur der Kinderschädel bekannt. Diese Entdeckungen bieten wertvolle Einblicke in die Evolution und die Lebensweise dieser frühen Hominiden.

Australopithecus africanus - Zwei Ansichten desselben Exemplars mit dem früheren Namen Plesianthropus transvaalensis (Holotyp) Natürlicher Schädelabdruck (485 cm3) (Sts 60), artikuliert mit einem noch in Brekzie eingebetteten Schädelfragment (TM 1511), das den linken Oberkiefer, den Orbitalbereich und den größten Teil der Schädelbasis umfasst. Gefunden von G. W. Barlow und beschrieben von Robert Broom im Jahr 1938. Entdeckt in Südafrika. Sammlung des Transvaal Museums, Northern Flagship Institute, Pretoria, Südafrika.

Körperbau

des Australopithecus africanus

Der Oberkiefer von Sts 52a mit einem hinzugefügten Unterkiefer bietet faszinierende Einblicke in die Anatomie von Australopithecus africanus. Das Hinterhauptsloch, durch das der hintere Teil des Gehirns zum Beginn des Rückenmarks verläuft, ist unterhalb des Schädels nahe am Schwerpunkt angeordnet. Dies lässt darauf schließen, dass Australopithecus africanus aufrecht gehen konnte. Dennoch besaß Australopithecus africanus relativ lange Arme, was darauf hinweist, dass sein Gang dem der modernen Paviane ähneln könnte. Trotz seiner Fähigkeit zum aufrechten Gang verbrachte er wahrscheinlich noch viel Zeit in den Bäumen, mehr als andere Arten der Gattung Australopithecus. Die großen Backenzähne und der insgesamt affenähnliche Schädel sind charakteristische Merkmale dieser Art, während die Eckzähne wesentlich kleiner sind als bei fossilen und rezenten Affen. Das Gehirnvolumen von Australopithecus africanus wird in der Fachliteratur mit 400 bis 500 Kubikzentimetern angegeben, was ungefähr dem des Schimpansen entspricht. Die Körpergröße erwachsener Individuen wird auf etwa 1,10 bis 1,40 Meter und das Körpergewicht auf 30 bis 60 Kilogramm geschätzt, wobei die Männchen deutlich größer waren als die Weibchen.

Begleitfunde deuten darauf hin, dass Australopithecus africanus bewaldete Habitate im Übergang zu Savannen bevorzugte und eine enge Verbindung zu den Uferzonen von Flüssen und Seen aufrechterhielt. Diese Lebensräume boten vermutlich sowohl Nahrung als auch Schutz. Ein bemerkenswertes menschenähnliches Merkmal ist die Gestalt des Amboss im Mittelohr, die bei Australopithecus africanus (Fossil Stw 255 aus Sterkfontein) und Paranthropus robustus festgestellt wurde. Dieses Merkmal unterscheidet sich von der Gestalt des Amboss bei Schimpansen und war vermutlich bereits beim letzten gemeinsamen Vorfahren dieser Arten vorhanden. Diese verschiedenen anatomischen und ökologischen Merkmale zeichnen ein Bild eines anpassungsfähigen und vielseitigen Frühmenschen, der sowohl in den Bäumen als auch am Boden zu Hause war.

Weitere Einzelheiten Der Oberkiefer Sts 52a mit einem hinzugefügten Unterkiefer

Ernährung und Lebensweise

von Australopithecus africanus

Der Zahn STS 1881 aus Sterkfontein, Südafrika, gibt wertvolle Einblicke in die Ernährung und Lebensweise von Australopithecus africanus. Die Hypothese zur Evolution der Australopithecinen, wie sie unter anderem von Friedemann Schrenk vertreten wird, deutet darauf hin, dass die im Vergleich zum Menschen relativ großen Backenzähne eine Anpassung an harte Pflanzennahrung darstellen, einschließlich hartschaliger Samen. Eine Computeranalyse der Fossilien Sts 5 und Sts 52a, insbesondere eines gut erhaltenen Oberkiefers, zeigte, dass das Gebiss und die Gesichtsknochen von Australopithecus africanus hohem Druck standhalten konnten, ähnlich wie bei den heute lebenden Javaneraffen. Dies deutet darauf hin, dass sie in der Lage waren, harte Nahrung zu zerkleinern. Die Zahnstruktur von Australopithecus africanus zeigt, dass seine Ernährung zu mehr als 50 Prozent aus C3-Pflanzen und zu einem erheblichen Anteil aus C4-Pflanzen bestand. Diese pflanzliche Kost, die überwiegend aus Blättern, Früchten und Samen bestand, wurde möglicherweise saisonal durch Fleisch ergänzt. Diese Ernährungsweise unterschied ihn vermutlich von Paranthropus robustus, der stärker auf harte Pflanzenkost spezialisiert war, und von den frühen Vertretern der Gattung Homo, die mehr Fleisch konsumierten.

Der Zahn STS 1881 aus Sterkfontein, Südafrika

Massenspektrometrische Analysen der Zähne liefern Hinweise darauf, dass Neugeborene etwa 12 Monate lang gestillt wurden und auch in späteren Jahren, vermutlich während nahrungsarmer Trockenzeiten, erneut Muttermilch erhielten. Dieses Stillverhalten ähnelt dem der in freier Wildbahn lebenden Orang-Utans, die ihren Nachwuchs bis zu neun Jahre lang immer wieder säugen. Obwohl in den Schichten, die Fossilien von Australopithecus africanus enthalten, keine Steinwerkzeuge entdeckt wurden, zeigt der Vergleich der Mittelhandknochen von Australopithecus africanus mit denen von Neandertalern, Homo sapiens und heutigen baumbewohnenden Menschenaffen, dass die feinen Knochenbälkchen (Trabekeln) der Substantia spongiosa durch häufige Druckbelastung geformt wurden. Diese Belastung entsteht, wenn der Daumen in Opposition zu den anderen Fingern steht, was darauf hindeutet, dass Australopithecus africanus möglicherweise Werkzeuge benutzt hat. Die Oppositionsstellung des Daumens ermöglicht den Faustschluss und verbessert die Greiffunktion der Hand erheblich, wodurch sowohl Kraft– als auch Präzisionsgriffe möglich sind. Die Ausrichtung der Trabekeln im Fersenbein StW 352 deutet darauf hin, dass die Fortbewegung von Australopithecus africanus eher der eines heutigen Gorillas ähnelte als der eines Schimpansen. Dies lässt vermuten, dass sich Australopithecus africanus häufiger auf dem Boden fortbewegte, ähnlich wie Gorillas, und weniger in den Bäumen lebte als Schimpansen. Eine Studie aus dem Jahr 2011 zeigt, dass männliche Individuen von Australopithecus africanus weitgehend ortstreu waren, während weibliche Individuen aus anderen Populationen zuwanderten. Dieses Verhalten deutet auf Exogamie hin, ein Muster, das auch bei Schimpansen beobachtet wird, während bei Gorillas sowohl männliche als auch weibliche Individuen nach der Geschlechtsreife in andere Populationen abwandern.

Australopithecus africanus

STECKBRIEF

01

Name

Australopithecus africanus

02

Alter

Circa 3,4 bis 2,1 Mio. Jahre vor heute

03

Erstfund

1924 in Taung, Südafrika (Holotypus: „Kind von Taung“)

04

Merkmale

  •     Körpergröße: 1,1 m bis 1,4 m
  •      Gewicht: ca. 30 bis 40 kg
  •     Gebiss: Ähnlich wie  beim Menschen, ohne Oberkiefer-Diastema

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Verbreitungsgebiet

Ostafrika bis Südafrika

MÖGLICHE UND GESICHERTE VORFAHREN

Australopithecus afarensis 

ca. 3.8  – 2.9 Mio. J. v. Chr

Australopithecus africanus

ca. 3.4 – 2.1 Mio. J. v. Chr

Australopithecus garhi

ca. um 2.5 Mio. J. v. Chr

Homo
Rudolfensis

ca. 2.5  – 1.9 Mio. J. v. Chr

Homo
Habilis

ca. 2.1  – 1.5 Mio. J. v. Chr

Homo
Ergaster

ca. 1.9  – 1.4 Mio. J. v. Chr

Homo
Erectus 

ca. 1.9  – ? Mio. J. v. Chr

Homo
Heidelbergensis

ca. 600.000 – 200.000 J. v. Chr

Homo Neanderthalensis

ca. 400.000 – 30.000 J. v. Chr

Archaischer Homo Sapiens

ca. 200.000 – 100.000 J. v. Chr

Homo
Sapiens

ca. 315.000 J. v. Chr

Denisova
Mensch

ca. 200.000 – 30.000 J. v. Chr

Homo
Floresiensis

ca. 100.000 – 17.000 J. v. Chr

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