Die prähistorische Evolution... vor 45.000 und 40.000 Jahren
Châtelperronien
Das Châtelperronien, ein faszinierendes Kapitel in der Geschichte der Menschheit und markiert den Übergang vom Mittel– zum Jungpaläolithikum. Mittels hochmoderner Radiokohlenstoffdatierung wurde es 2014 auf einen Zeitraum zwischen 45.000 und 40.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung datiert. In den Weiten des westeuropäischen Raums thront es als die letzte Kultur, die eine enge Verbindung zu den Neandertalern aufweist.
Dieses epochale Phänomen überschneidet sich zeitlich mit dem älteren Aurignacien und zeigt bemerkenswerte Anklänge in den materiellen Hinterlassenschaften. Jean-Jacques Hublin, ein renommierter Archäologe, deutete diese Verbindung als Beweis für die kulturelle Einflussnahme der Cro-Magnon-Menschen auf den Neandertaler. Anfänglich umstritten, erhielt seine Interpretation 2016 eine eindrucksvolle Bestätigung durch den Nachweis erhaltener Proteine in zahlreichen Knochen, die in der Höhle Grotte du Renne entdeckt wurden. In dieser einzigartigen Übergangszeit, wo die Pfade von Neandertalern und modernen Menschen sich kreuzten, hinterließ das Châtelperronien nicht nur archäologische Spuren, sondern auch ein faszinierendes Puzzle.
Verbreitung des Châtelperronien
Das Châtelperronien, ein Artefakt von unbestreitbarem archäologischem Reiz, findet sich ausschließlich in den malerischen Regionen Frankreichs und Nordspaniens. Innerhalb Frankreichs erstreckt sich sein Einflussgebiet hauptsächlich über den Südwesten, einschließlich der Départements Charente, Dordogne, Lot und Vienne. Seine Spuren sind ebenfalls im westlichen Pyrenäenraum sowie in den fruchtbaren Ebenen des Loire– und Seinebeckens zu finden.
Klimatische Rahmenbedingungen während des Châtelperronien...
Das Châtelperronien blühte in einer Zeit von klimatischer Unbeständigkeit und markanten Temperaturschwankungen während der Würmeiszeit auf. Es war eine Ära, geprägt von einer Gesamtmildheit, die jedoch von plötzlichen und deutlichen Veränderungen unterbrochen wurde. Dieser Zeitabschnitt begann im Huneborg II mit dem bemerkenswerten Dansgaard-Oeschger-Ereignis DO8, einer bedeutenden Warmphase.
Nach einer bemerkenswerten Abkühlung um 34.000 v. Chr. folgte das DO7-Ereignis, das eine weitere Periode relativer Wärme markierte und bereits zum Denekamp-Interstadial gehörte.
Das DO6-Ereignis, ebenfalls Teil des Denekamp-Interstadials, markiert schließlich das Ende des Châtelperroniens. Interessanterweise wird selbst das DO5-Ereignis (Maisières-Interstadial) in Frankreich noch dem Châtelperronien zugeordnet. Diese Zeitperiode war geprägt von einer instabilen Klimadynamik, die die Lebensbedingungen und möglicherweise auch die kulturelle Entwicklung der damaligen Menschen maßgeblich beeinflusste.
Hominine Fossilien...
Die Homininenfossilien des Châtelperroniens wurden in nur zwei Fundstätten in gesichertem archäologischen Kontext entdeckt: das Fossil Saint-Césaire 1 in Saint-Césaire und die Grotte du Renne (Rentierhöhle) von Arcy-sur-Cure. Eine wegweisende Studie, die isolierte Zähne aus den Schichten des Châtelperroniens einbezog, konnte die Zuordnung dieser Kultur zu den Neandertalern recht sicher bestätigen.
Die Neandertaler-Bestattung von Saint-Césaire war lange Zeit in der deutschsprachigen Literatur umstritten, hauptsächlich wegen der Meinung einiger Forscher, dass die umgebende Fundschicht eher dem späten Moustérien des Typs MtA als dem Châtelperronien entspricht.
In verschiedenen Fundorten des Châtelperroniens wurden wiederholt Interstratifikationen von Neandertalern und Cro-Magnon-Menschen diskutiert, wie zum Beispiel in El Pendo (Nordspanien), Roc de Combe und Le Piage 15 (Frankreich), sowie in der Typlokalität Grotte des Fées bei Châtelperron. Eine Publikation von 2011 präsentierte jedoch einen oberen Schneidezahn aus den Schichten des Châtelperroniens von Roches d’Abilly, der keine Merkmale eines Neandertalers aufwies. Eine weitere bedeutende Publikation von 2012 stützte sich erstmals auf eine direkte Radiokohlenstoffdatierung eines Knochens aus Saint-Césaire, die ein Alter von 41.500 Jahren vor heute ergab.
Zwischen Tradition und Fortschritt
Innovative Werkzeugtechnologien im Châtelperronien
Das Châtelperronien, eine archäologische Epoche des späten Jungpaläolithikums, präsentiert sich als faszinierende Schnittstelle zwischen den traditionellen Werkzeugtechnologien des Mittelpaläolithikums und den innovativen Entwicklungen des Jungpaläolithikums. Ein charakteristisches Merkmal dieser Periode ist die Einführung der Châtelperron-Spitzen oder –Messer, gekennzeichnet durch ihre gebogene Form und abgestumpften Rücken.
Diese Zeit ist geprägt durch eine vielfältige Werkzeugindustrie, die sowohl typische jungpaläolithische Elemente wie Klingen aus Knochen, Geweih und Elfenbein, als auch traditionelle mittelpaläolithische Technologien umfasst. Die Verwendung von Knochenmaterial für die Herstellung von Waffen und Werkzeugen findet ihre Vorläufer in den Neandertaler-Kulturen des Mittelpaläolithikums, wie beispielsweise den Knochenspitzen aus Salzgitter-Lebenstedt oder der Großen Grotte bei Blaubeuren. Insbesondere Elfenbein wurde in dieser Epoche häufiger als Werkstoff genutzt, im Vergleich zu Geweih.
Darüber hinaus sind in den Inventaren des Châtelperroniens auch weiterhin deutliche Spuren mittelpaläolithischer Technologien zu finden, wie beispielsweise das Auftreten der Levalloistechnik. Ähnliche Übergangsindustrien lassen sich auch in anderen Regionen Europas nachweisen, wie das Bohunicien und Szeletien in Ost- und Mitteleuropa sowie das Uluzzien in Italien. Diese Vielfalt und der Übergang von älteren zu neueren Technologien machen das Châtelperronien zu einem spannenden Forschungsgebiet innerhalb der archäologischen Landschaft Europas.
Ausdruck von Kreativität und kultureller Identität
Schmuck im Châtelperronien
Die Frage nach den Trägern des Châtelperroniens und der möglichen Interstratifikationen zwischen Neandertalern und Cro-Magnon-Menschen spielt eine zentrale Rolle in der Diskussion über die Entstehung der jungpaläolithischen Kleinkunst. Die Grotte du Renne (Rentierhöhle) in Arcy-sur-Cure im Département Yonne galt lange Zeit als der sicherste Fundort für Schmuckobjekte des Neandertalers, insbesondere aufgrund der Ausgrabungen von André Leroi-Gourhan zwischen 1949 und 1963. Es schien klar, dass die Schmuckgegenstände, die in den Châtelperronien-Fundschichten gefunden wurden, in Verbindung mit dem Neandertaler stehen müssten, nachdem bewiesen wurde, dass es sich bei den isolierten Zähnen um Reste von Neandertalern handelt. Die Datierung der Châtelperronien-Schichten in Arcy mittels neuer 14C-Daten zeigte jedoch eine erhebliche Streuung zwischen etwa 21.000 und 49.000 vor heute, was auf eine beträchtliche Durchmischung des Fundhorizonts hinweist. Einige modifizierte Knochen wurden direkt datiert und sind eindeutig jünger als die letzten bekannten Neandertaler Südwesteuropas, was die Frage nach der Unversehrtheit der Schichten aufwirft.
Trotz der Assoziation mit Neandertalerresten ist nicht mehr sicher, ob es sich um ungestörte Schichten handelt, und es ist wahrscheinlich, dass eine Vermischung mit Artefakten und Schmuckgegenständen des anatomisch modernen Menschen stattgefunden hat. Dennoch sind ähnliche Schmuckgegenstände aus Châtelperronien-Schichten auch aus anderen Fundorten bekannt, wie zum Beispiel aus der Höhle von Quinçay im Département Vienne. Dies deutet darauf hin, dass die Herstellung von Schmuck und die künstlerische Expression ein integraler Bestandteil des Châtelperroniens waren. Eine umfassende Infragestellung des Neandertalerschmucks insgesamt erscheint daher nicht gerechtfertigt.
JUNGPALÄOLITHIKUM
STECKBRIEF
01
Name
Châtelperronien
02
Alter
Circa 45.000 bis 40.000 Jahre vor heute
03
Geografische Verbreitung
Hauptsächlich in Frankreich und Nordspanien Besonders präsent im Südwesten Frankreichs (Départements Charente, Dordogne, Lot, Vienne), westlichen Pyrenäenraum, Loire- und Seinebecken.
04
Klima und Umweltbedingungen
Insgesamt milderes, aber instabiles Klima während der Würmeiszeit
Deutliche Temperaturschwankungen mit Warmphasen wie DO8 und DO7 innerhalb des Denekamp-Interstadials
05
Charakteristika und Merkmale
Als letzte Kultur mit direkter Verbindung zu den Neandertalern im westeuropäischen Raum
Interstratifikationen von Neandertalern und Cro-Magnon-Menschen an verschiedenen Fundorten diskutiert. Artefakte und Schmuckgegenstände wie Ohrgehänge, durchbohrte Zähne als Schmuckanhänger, sowie Fossilien wurden gefunden. Kontroverse Diskussion über die Interpretation der Schichten und Funde in Bezug auf die kulturelle Entwicklung und Interaktionen zwischen Neandertalern und modernen Menschen.
06
Bedeutende Fundstätten
Grotte du Renne (Rentierhöhle) von Arcy-sur-Cure, Frankreich
Saint-Césaire, Frankreich
Weitere Fundorte wie El Pendo (Nordspanien), Quinçay (Département Vienne) und Roche au Loup.