Die prähistorische Evolution... Ca. 5.500 - 4.900 v. Chr.

Frühneolithikum

Das Frühneolithikum, auch bekannt als Altneolithikum, bildet den ältesten Abschnitt der Jungsteinzeit (Neolithikum) und markiert den Beginn einer neuen Ära menschlicher Entwicklung. Dieser Begriff beschreibt weltweit unterschiedliche Zeiträume, steht jedoch stets für die erste Phase nach dem Übergang zur sesshaften Lebensweise, der sogenannten Neolithisierung. Transdanubien, eine Region im heutigen Westungarn, gilt als entscheidendes Ursprungsgebiet für die Verbreitung frühneolithischer Kulturen nach Mitteleuropa. Besonders prägend für das Frühneolithikum in Regionen wie dem heutigen Österreich sowie in Süd- und Mitteldeutschland war die Kultur der Linienbandkeramik. Diese archäologische Kultur, die zwischen etwa 5600 und 4900 v. Chr. existierte, wird als Meilenstein der menschlichen Besiedlung und Landwirtschaft angesehen. Ihre charakteristischen Keramikverzierungen und Siedlungsformen geben Aufschluss über die Lebensweise jener Zeit.

Frühneolithikum

In der von Jens Lüning eingeführten fünfstufigen Gliederung des mitteleuropäischen Neolithikums steht das Frühneolithikum an erster Stelle. Es leitet eine Entwicklung ein, die über das Mittelneolithikum und weitere Phasen wie das Jung-, Spät- und Endneolithikum hinweg eine komplexere Gesellschaftsstruktur entstehen ließ. Der Übergang vom Früh- zum Mittelneolithikum wird durch das Ende der Linienbandkeramik markiert, die den kulturellen und technologischen Wandel jener Epoche widerspiegelt. Der Begriff „Neolithikum“ wurde erstmals im Jahr 1865 vom britischen Prähistoriker John Lubbock geprägt. Mit seiner Einführung unterschied er die vorgeschichtlichen Epochen des Paläolithikums, der Altsteinzeit, und des Neolithikums, der Jungsteinzeit. Diese bahnbrechende Einteilung stellte einen Meilenstein in der prähistorischen Forschung dar und bietet bis heute eine Grundlage für die archäologische Chronologie. Der spezifische Terminus „Frühneolithikum“ dient der weiteren Differenzierung innerhalb des Neolithikums. Er beschreibt eine Phase, die durch den Beginn der Landwirtschaft, der Sesshaftigkeit und bedeutender kultureller Entwicklungen gekennzeichnet ist. In der relativen Chronologie hilft dieser Unterbegriff dabei, die komplexen Abläufe der Menschheitsgeschichte präzise zeitlich einzuordnen und voneinander abzugrenzen.

Mann Frau

Die Verbreitung der Neolithisierung in Mitteleuropa

Migration und Kulturwandel

Die Ausbreitung der bandkeramischen Kultur erfolgte über sogenannte Pioniersiedlungen, doch die genauen Mechanismen hinter ihrer Weitergabe bleiben unklar. Ob diese durch gezielte Abwanderungen, Eheschließungen zwischen verschiedenen Gruppen oder den Austausch von Wissen und Technologien erfolgte, lässt sich nicht eindeutig belegen. In der Frühphase der bandkeramischen Kultur existierte jedoch ein weitreichendes Tauschnetzwerk, das sich über etwa 200 Jahre erstreckte und den kulturellen Austausch förderte. Die Wanderungsbewegungen der ersten Bauern führten von Südosteuropa nach Nordwesten. Der Ursprung der bandkeramischen Kultur liegt in der Starčevo-Kultur, die sich entlang des Donaukorridors nach Mitteleuropa ausbreitete.

Menhir von Derenburg

Genetische Analysen zeigen, dass die neolithischen Gemeinschaften in Ungarn (Starčevo-Kultur), Deutschland (Linienbandkeramiker), Spanien (Cardial-Kultur) und Skandinavien eng mit den frühen Bauern aus Südosteuropa verwandt waren. Dennoch gab es auch eine genetische Vermischung mit der mesolithischen Bevölkerung der jeweiligen Regionen. Frühere Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Träger der bandkeramischen Kultur um 5500 v. Chr. aus dem Karpatenbecken nach Mitteleuropa einwanderten. Von dort aus erfolgte die weitere Verbreitung auf zwei Hauptwegen:

  • Über Böhmen und Mähren entlang der Elbe bis nach Mitteldeutschland.
  • Über Niederösterreich entlang der Donau flussaufwärts und schließlich den Rhein abwärts.

Eine DNA-Studie von 2010 zeigt, dass die genetischen Spuren von Individuen aus dem Gräberfeld Derenburg Meerenstieg II in Sachsen-Anhalt Ähnlichkeiten mit der heutigen Bevölkerung des Nahen Ostens und Anatoliens aufweisen.

Schalen der Starčevo-Kultur im Frühneolithikum

Kulturelle und materielle Entwicklungen

Die früheste Keramik der bandkeramischen Kultur war flachbodig und ähnelte stark der Starčevo-Keramik. Doch etwa ab 5200 v. Chr. setzte sich ein neuer Stil durch: rundbodige Keramik. Gleichzeitig entstanden neue Siedlungen, während ältere aufgegeben wurden. Ein bedeutendes Zeichen für kulturelle Innovationen war das Auftauchen des Mohns als neue Kulturpflanze, der vermutlich von der La-Hoguette-Kultur oder der Gruppe Limburg eingeführt wurde. Während im Rheinland die bandkeramische Kultur weiterlebte, entwickelte sich südlich davon bereits das Mittelneolithikum. Das Kerngebiet dieser Transformation lag im Neckarraum und in Rheinhessen, wo die Anzahl der Siedlungen anstieg. Im Gegensatz dazu nahm die Siedlungsdichte im Rheinland ab. Gegen Ende der Bandkeramikzeit zeigen sich erste Anzeichen von Spannungen, die durch fortifikatorische Erdwerke dokumentiert sind. Mit dem Übergang zum Mittelneolithikum endete die vergleichsweise einheitliche Phase des Neolithikums. Die nachfolgenden Kulturen wiesen zunehmend regionale Unterschiede auf, insbesondere in der Gestaltung ihrer Keramik, die sich in unterschiedlichen Verzierungsstilen manifestierte.

Ackerbau

Vom Wildbeutertum zur Landwirtschaft

Der radikale Kulturwandel

Der Übergang vom Wildbeutertum hin zu Ackerbau und Viehhaltung markiert einen der tiefgreifendsten Umbrüche in der Geschichte der Menschheit. In Mitteldeutschland vollzog sich dieser Wandel vor etwa 7.500 bis 7.000 Jahren. Damit endete die längste Phase der menschlichen Existenz, geprägt durch Jagen und Sammeln, und die Ära der sesshaften Bauern begann. Mit dieser neuen Lebensweise veränderte sich das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt grundlegend: Anstelle des bloßen Nutzens natürlicher Ressourcen begann man, die Umwelt gezielt zu manipulieren, um sich von den Schwankungen des natürlichen Nahrungsangebots unabhängiger zu machen. Interessanterweise war dieser Wandel keine autarke Entwicklung der lokalen Gesellschaften Mitteleuropas. Vielmehr wurde das neue Lebensmodell von Pionierbauern aus dem südosteuropäischen Donauraum mitgebracht. In mehreren Wellen drangen diese Gruppen nach Mitteleuropa vor und besiedelten das Gebiet inselartig. Innerhalb von 100 bis 200 Jahren erreichten sie schließlich den Rhein. Diese wandernden Gemeinschaften brachten ein umfassendes Bündel von Neuerungen mit: Saatgut, domestizierte Tiere, Techniken des Hausbaus, Töpferei, Textilherstellung sowie Werkzeuge aus geschliffenem Stein. Sogar Gebräuche und Glaubensvorstellungen wurden überliefert.

Übergang vom Wildbeutertum hin zu Ackerbau und Viehhaltung im Frühneolithikum Illustration © OpticalArtInc

Die Sesshaftigkeit im Frühneolithikum

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Neuerungen

Die Einführung der Landwirtschaft war eng mit tiefgreifenden Veränderungen in der individuellen und gesellschaftlichen Lebensweise verbunden. Der zuvor mobile Lebensstil der Jäger und Sammler wich einem ortsgebundenen Leben in festen Siedlungen. Diese bestanden aus dauerhaften Holz-Lehm-Häusern, die oft sorgfältig geplant waren. Die neue Wirtschaftsweise führte zu einer engeren Bindung der Gemeinschaft an den von ihr erschaffenen Wirtschaftsraum. Land wurde erstmals als Eigentum betrachtet, um sicherzustellen, dass die investierte Arbeit auch den erwünschten Ertrag lieferte. Mit der Einführung von Landbesitz entstanden neue soziale Dynamiken: Vererbtes Land und Vieh wurden zu Garantien für die Versorgung zukünftiger Generationen. Gleichzeitig führte diese Eigentumsbildung zu Konflikten und Besitzstreitigkeiten, die wiederum Legitimationen und Machtstrukturen erforderten. Diese Entwicklungen bildeten den Keim für soziale Hierarchien und Herrschaftssysteme, die bis heute die Gesellschaft prägen.

Karte Links Westlicher, Mittlerer und Südöstlicher Taurus in der Türkei Rechte Karte Topografie des Iran mit dem Zagros-Gebirge

Der Beginn der Landwirtschaft

Ein globales Phänomen

Die Umstellung von einer aneignenden auf eine produzierende Wirtschaftsweise ereignete sich unabhängig voneinander in wenigen Regionen der Welt und zu sehr unterschiedlichen Zeiten. Der früheste und effektivste Übergang fand vor etwa 11.000 Jahren im südlichen Vorland des Taurus– und Zagros-Gebirge statt, im heutigen türkisch-iranisch-irakischen Grenzgebiet. Diese Region begünstigte durch ihre klimatischen und ökologischen Bedingungen die Domestikation von Wildpflanzen wie Getreide, Erbsen und Linsen sowie von Tieren wie Schafen und Ziegen. Ursprünglich war diese neue Strategie jedoch eine Notlösung, um die Ernährung in Zeiten von Ressourcenknappheit zu sichern. Ortsfeste Lebensweisen ermöglichten kürzere Geburtenabstände und eine höhere Bevölkerungsdichte. Innerhalb weniger Generationen wurde es notwendig, neue Siedlungsgebiete zu erschließen. So breiteten sich Bauerngemeinschaften innerhalb von etwa 1.500 Jahren vom Vorderen Orient über Südosteuropa nach Mitteleuropa aus. Hier bildeten sie zunächst eine einheitliche Kultur, die sich nach rund 500 Jahren in verschiedene regionale Gruppen aufspaltete. Die Umwälzungen des Neolithikums legten damit nicht nur den Grundstein für die moderne Landwirtschaft, sondern auch für viele der heutigen gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Strukturen.

Landschaft im Wandel

Wie das Frühneolithikum die Natur nachhaltig veränderte

Die Beziehung zwischen Mensch und Natur erfuhr mit der Einführung von Ackerbau und Viehhaltung einen tiefen Einschnitt. Die bewusste Erzeugung von Nahrungsmitteln machte den Menschen unabhängiger vom natürlichen Ressourcenangebot, hatte jedoch weitreichende Folgen für die Umwelt. Rodungen, Beweidung und gezielte Pflanzennutzung veränderten das Landschaftsbild nachhaltig. Freigelegte Böden erodierten, und ganze Ökosysteme wurden umgestaltet. Für Charles Darwin war die Domestikation von Tieren das größte biologische Experiment der Menschheit.

Landschaft im Wandel Rodungen, Beweidung und gezielte Pflanzennutzung veränderten das Landschaftsbild nachhaltig. Illustration © OpticalArtInc

Frühneolithikum

STECKBRIEF

01

Name

Frühneolithikum

02

Zeitraum

  • Ca. 5.500 – 4.900 v. Chr. (regional variierend)

03

Definition

Älteste Phase der Jungsteinzeit (Neolithikum), die durch den Übergang von der Jäger- und Sammlerkultur zu Ackerbau und Viehhaltung gekennzeichnet ist.

04

Hauptmerkmale

  • Einführung von Ackerbau (z. B. Weizen, Gerste) und Viehhaltung (Rinder, Schafe, Ziegen).
  • Sesshafte Lebensweise mit dauerhaften Siedlungen.
  • Nutzung geschliffener Steinwerkzeuge.
  • Erste Keramiken (z. B. bandkeramische Verzierungen).
  • Beginn von Landbesitz und sozialen Hierarchien.

05

Kulturen

  • Linienbandkeramik in Mitteleuropa.
  • Starčevo-Kultur (südosteuropäische Wurzeln).
  • Körös-Cris-Kultur
  • La-Hoguette-Kultur

06

Regionale Verbreitung

  • Ursprung: Südosteuropa (Donauraum, Starčevo-Kultur).
  • Verbreitung nach Mitteleuropa entlang des Donaukorridors und bis zum Rhein.

07

Wichtige Innovationen

  • Herstellung von Keramikgefäßen zur Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln.
  • Bau massiver Holz-Lehm-Gebäude.
  • Domestikation von Pflanzen und Tieren.

08

Umweltveränderungen

  • Rodung von Wäldern zur Schaffung von Ackerflächen.
  • Bodenerosion durch intensive Nutzung.
  • Nachhaltige Veränderung der Landschaft durch landwirtschaftliche Aktivitäten.

09

Gesellschaftliche Veränderungen

  • Übergang von mobilen zu ortsgebundenen Lebensweisen.
  • Entstehung von Eigentum und Erbrecht.
  • Erste Anzeichen von Konflikten und Herrschaftsstrukturen.

10

Bedeutung

Das Frühneolithikum markiert den Beginn einer neuen Epoche, die als Grundlage moderner Gesellschaften gilt. Es legte den Grundstein für Landwirtschaft, dauerhafte Siedlungen und soziale Organisationen.

FrühNeolithikum KULTUREN

KÖRÖS-KULTUR
ca.6200 – 5600  v.Chr

STARCEVO-KULTUR
ca. 6000 – 5400 v.Chr

LA-HOGUETTE-KULTUR
ca. 5.800 – 5.200 v.Chr

LINIENBANDKERAMISCHE-KULTUR
ca. 5.700 – 4.900 v.Chr

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