Die prähistorische Evolution... ca. 28.000 und 22.000 Jahren vor heute
Gravettien
Das Gravettien ist eine archäologische Periode, die nach den aktuellen Erkenntnissen etwa zwischen 28.000 und 22.000 Jahren vor heute datiert wird. Der Name dieser Zeitperiode stammt vom Fundort La Gravette im französischen Département Dordogne. Die Bezeichnung wurde von der Archäologin Prof. Dorothy Garrod (1892-1967) vorgeschlagen, die die erste Professorin an der University of Cambridge war.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das Gravettien nicht überall in Europa einheitlich benannt wird. In Südwestfrankreich wird es als Périgordien bezeichnet, in Niederösterreich und Mähren als Pavlovien (nach Pavlov, Mähren) und in Russland am Oberlauf des Don nördlich des Schwarzen Meeres als Kostienkien (nach der Fundstelle Kostienki). Die charakteristischen Artefakte des Gravettiens umfassen Formen mit einer abgeflachten Basis sowie die namensgebenden nadelförmigen Gravettespitzen und Kerbspitzen, die als Pfeilspitzen interpretiert werden. Gravettespitzen sind lange, schmale Klingen mit einem geraden oder leicht konvexen Rücken. Sowohl die Basis als auch die Spitze können auf der Unterseite durch Retuschen verfeinert sein. Manchmal ist auch die Gegenkante retuschiert. Weitere markante Artefakte sind die sogenannten Mikrogravettespitzen, Font-Robert-Spitzen und Doppelspitzen. Fast alle gefundenen Artefakte weisen kontinuierliche Retuschen an den Kanten auf.
Gemeinschaftliches Leben...
Die Menschen der Gravettienzeit zeigten nachweislich Interesse an Schmuck und legten somit Wert auf ihre äußere Erscheinung. Dies deutet darauf hin, dass ihr Leben nicht ausschließlich um das bloße Überleben kreiste. Schmuck und Bestattungen aus dieser Zeit lassen vermuten, dass soziale Beziehungen und das Miteinander den Menschen wichtig waren. Tote wurden nicht einfach liegengelassen oder entsorgt, sondern mit Beigaben bestattet.
Es sind erstmals Befunde von Behausungen aus dem Paläolithikum bekannt, wie zum Beispiel in Kostienki. Dies verdeutlicht, wie sich das Leben der Menschen im Verlauf des Jungpaläolithikums veränderte. Es wird sogar diskutiert, ob bereits im Gravettien Pfeil und Bogen als Jagdwaffen verwendet wurden, obwohl offiziell solche Waffen erst im Endpaläolithikum nachgewiesen sind.
Bestattungen im Gravettien
Im Gravettien sind reiche und zeremonielle Bestattungen sowie Ockerstreuungen in Gräbern charakteristisch. Zu den beeindruckendsten Beisetzungen zählen die von Sunghir 1 in Russland und der sogenannte „Il Principe“ in der Höhle von Arene Candide in Italien. Während es für das Mittelpaläolithikum und den Übergang zum Jungpaläolithikum keine Hinweise auf Mehrfachbestattungen gibt, sind solche Formen der Beisetzung im Gravettien häufig anzutreffen. Doppelbestattungen sind beispielsweise bei Sunghir, der Grotta delle Veneri und der Grotte des Enfants bekannt. Zu den Dreifachbestattungen gehören Individuum 13-15 von Dolní Věstonice und Individuum 2-4 von Barma Grande.
Studien von Zilhão und Trinkaus haben gezeigt, dass Jugendliche im Gravettien bei Bestattungen anders behandelt wurden als Erwachsene. Das Geschlecht und das Alter der Verstorbenen hatten Einfluss auf die Art der Beisetzung und die Grabgestaltung. Es gibt zum Beispiel nur wenige Einzelbestattungen weiblicher Individuen.
Das Doppelbegräbnis von Sunghir ist ein herausragendes Beispiel für Bestattungen aus der Steinzeit. Ein Junge und ein Mädchen wurden Kopf an Kopf in einem langen, flachen Grab niedergelegt, mit rotem Ocker bedeckt und mit außergewöhnlich reichen Grabbeigaben ausgestattet. Diese umfassten Tausende von durchlochten Perlen aus Elfenbein, hunderte von perforierten Polarfuchszähnen, scheibenförmige Anhänger, Tierschnitzereien aus Elfenbein und lange Speere aus Mammutstoßzähnen. Einer der Speere war 2,4 Meter lang. Die Elfenbeinperlen, die speziell für die beiden Kinder hergestellt wurden, waren etwa ein Drittel kleiner als diejenigen des erwachsenen Mannes (Sunghir 1). Der enorme Zeitaufwand für die Herstellung der Perlen wird durch experimentelle Versuche deutlich: Mehr als eine Stunde wurde für eine Perle benötigt. Jedes der beiden Kinder hatte mehr als 5000 solcher Perlen.
Ein Einblick in die prähistorische Kunst
Die faszinierenden Frauenstatuetten des Gravettien
Auch in der Kunst erreichte der Mensch des Gravettiens eine beeindruckende Leistung, vergleichbar mit seinen Vorfahren aus dem Aurignacien. Frauenstatuetten gelten als charakteristisch für diese Zeit und werden als Leitfossilien angesehen. Das Gebiet, in dem diese Figurinen gefunden wurden, wird als „Venushorizont“ bezeichnet. Eine der bekanntesten Statuetten ist die sogenannte Venus von Willendorf. Männerstatuetten sind im Vergleich dazu sehr selten (zum Beispiel in Brno, Mähren). Es ist jedoch riskant zu schlussfolgern, dass die Kunst eine männliche Domäne war, und diese Annahme müsste sorgfältig diskutiert werden. Im Pavlovien sind Tierstatuetten aus gebranntem Ton typisch, von denen hunderte gefunden wurden.
Die Venus von Willendorf: Ein ikonisches Meisterwerk des Gravettien-Zeitalters.
Die Venus von Willendorf ist eine der bekanntesten prähistorischen Frauenstatuetten, die während des Jungpaläolithikums geschaffen wurde. Sie wurde 1908 in Willendorf, Österreich, entdeckt und wird auf etwa 28.000 bis 25.000 Jahre alt datiert. Die Figur besteht aus Kalkstein und ist etwa 11 Zentimeter hoch. Sie zeigt eine weibliche Figur mit stark ausgeprägten Brüsten, Bauch und Hüften. Das Gesicht der Figur ist nicht detailliert dargestellt, sondern von einer Art Kopfbedeckung umgeben.Die Venus von Willendorf ist ein herausragendes Beispiel für die prähistorische Kunst und wird oft als Symbol für Fruchtbarkeit, Weiblichkeit und Lebenskraft interpretiert. Ihre Entdeckung hat dazu beigetragen, das Verständnis der prähistorischen Kulturen und ihrer künstlerischen Ausdrucksformen zu vertiefen.
Höhlenmalerei im Gravettien-Zeitalter
Ein Blick auf die prähistorische Kunst und Kultur
Die Höhlenmalereien aus dem Aurignacien und Gravettien sind faszinierende Beispiele
prähistorischer Kunst, die vor Tausenden von Jahren von unseren Vorfahren geschaffen wurden. Hier sind einige
wichtige Merkmale dieser frühen Kunstform:
Darstellungen von Tieren:
Die meisten Höhlenmalereien aus dem Aurignacien und Gravettien zeigen Tiere. Diese Darstellungen sind oft lebhaft und detailliert und umfassen verschiedene Tierarten, darunter Pferde, Bison, Hirsche, Mammuts und andere.
Handdarstellungen:
Neben Tierdarstellungen sind Handabdrücke ein häufiges Motiv in Höhlenmalereien. Es wurden sowohl Negative als auch Positive von Handabdrücken gefunden, die vermutlich von den prähistorischen Künstlern mit Ocker oder anderen Pigmenten an die Höhlenwände gedrückt wurden.
Naturalistische Darstellungen:
Die Künstler des Aurignacien und Gravettien strebten nach naturalistischen Darstellungen. Tiere wurden oft im Profil gezeigt, und ihre Konturen wurden klar hervorgehoben, um Bewegungen und Haltungen realistisch darzustellen.
Optisch korrekte Darstellungen:
Ein bemerkenswertes Merkmal der frühen Höhlenmalereien ist die Darstellung der Beine von Tieren. Während in früheren Epochen oft nur die dem Betrachter zugewandten Beine gezeigt wurden, begannen die Künstler im Aurignacien und Gravettien, Beine optisch korrekt darzustellen.
Das Archäologische Inventar.
Ein Blick auf die prähistorische Kunst und Kultur
Im Herzen des Gravettien-Zeitalters offenbaren archäologische Funde ein faszinierendes Bild von Innovation und Anpassungsfähigkeit. Ein markantes Merkmal dieser Ära ist zweifellos die Gravettespitze, ein meisterhaft gestalteter Feuerstein, der auf einer Seite steil retuschiert ist und einen stumpfen Rücken aufweist. Es wird angenommen, dass diese Spitzen in einer Reihe schräg in Holzschaften befestigt wurden, möglicherweise mit Birkenpech, um effektive Harpunen mit Widerhaken zu bilden. Doch während wir in diese vergangene Welt eintauchen, bleibt die Frage nach der Verwendung von Pfeil und Bogen ein rätselhaftes Geheimnis, da entsprechende Funde bisher fehlen. Einige Forscher spekulieren darüber, dass die zarten Rückenmesser und Gravettespitzen besser zu schlanken Speeren passen könnten, die möglicherweise mit Speerschleudern geschleudert wurden.
Ein bemerkenswertes Artefakt aus dieser Epoche ist der älteste bekannte Bumerang, dessen Entdeckung im Jahr 1985 die archäologische Welt erschütterte. In den Tiefen der Obłazowa-Höhle in den polnischen Karpaten gefunden, wurde dieses bemerkenswerte Relikt auf erstaunliche 23.000 Jahre vor Heute datiert. Doch die Schätze des Gravettiens enden hier nicht; sie reichen bis in die Welt der Textilien. Fragmente aus gebranntem Ton, entdeckt in Dolní Věstonice, enthalten Abdrücke von Fäden, verschiedenen Arten von textilen Bindungen, Knoten und Netzen – ein faszinierender Einblick in die kunstvolle Gestaltung und das handwerkliche Können unserer prähistorischen Vorfahren.
Überlebensstrategien und kulturelle Praktiken im Gravettien-Zeitalter
Die Kunst der Jagd
Während die Jagd eine wesentliche Rolle im täglichen Überlebenskampf der Gravettien-Gemeinschaften spielte, eröffneten archäologische Funde ein faszinierendes Panorama der Tierwelt, die ihre Beute bildete. Durch die Analyse von Knochenfunden konnten wir einen Einblick in die bevorzugte Jagdbeute dieser Ära gewinnen: Wölfe, Rentiere, Hasen, Polarfüchse und verschiedene Vogelarten standen auf dem Speiseplan.
Interessanterweise deuteten die Knochenfunde darauf hin, dass der Anteil kleinerer Tiere an der Beute überwog. In der Tat stellte sich heraus, dass Mammutknochen nur einen geringen Teil des untersuchten Knochenmaterials ausmachten, wie etwa im mährischen Pavlov, wo sie lediglich 7,5 % beziehungsweise 18,9 % ausmachten. Dies lässt darauf schließen, dass die Gravettien-Gesellschaften sich hauptsächlich von kleineren Tieren ernährten, obwohl ein erlegtes Mammut, trotz seiner Herausforderungen und Gefahren, eine Gruppe über längere Zeiträume hinweg hätte versorgen können.
Darüber hinaus ist anzunehmen, dass einfache Formen der Nahrungskonservierung und Lagerung zumindest für kurze Zeiträume praktiziert wurden. Neben der Jagd spielte auch der Fischfang eine bedeutende Rolle als Nahrungsquelle, wobei die Gemeinschaften verschiedene Ressourcen nutzten, um ihren Bedarf an Nahrung zu decken und sich an die wechselnden Umweltbedingungen anzupassen.
JUNGPALÄOLITHIKUM
STECKBRIEF
01
Name
Gravettien
02
Alter
Circa 28.000 bis 22.000 Jahren vor heute
03
Beschreibung
Das Gravettien ist eine archäologische Kultur des späten Jungpaläolithikums, die während des europäischen Übergangs vom Mittel- zum Spätglazial existierte. Benannt ist das Gravettien nach der Fundstätte La Gravette in Frankreich.
04
Werkzeuge und Technologien
Das Gravettien ist bekannt für seine hochentwickelten Steinwerkzeuge, darunter fein gearbeitete Klingen, Kratzer und Bohrer aus Feuerstein. Diese wurden mittels der so genannten Klingen- und Mikrolithentechnologie hergestellt, die eine besonders präzise Bearbeitung erlaubte.
05
Kunst und Symbolismus
Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften des Gravettien ist das Aufkommen von Kunst und Symbolismus. In dieser Zeit wurden viele Höhlen mit Wandmalereien, Gravuren und Skulpturen verziert. Bekannte Beispiele sind die Höhlenmalereien in den Höhlen von Lascaux und Chauvet in Frankreich.
06
Mammutjagd und Lebensweise
Ähnlich wie im Châtelperronien spielte die Jagd auf Großwild, insbesondere auf Mammut und Höhlenlöwen, eine wichtige Rolle im Leben der Menschen des Gravettien. Sie lebten wahrscheinlich in kleinen, mobilen Gruppen von Jägern und Sammlern, die saisonalen Wanderungen von Tieren folgten.
07
Höhlen und Lagerplätze
Viele Fundstätten des Gravettien befinden sich in Höhlen oder unter Felsüberhängen. Diese Orte dienten den Menschen als Unterkünfte, Jagdstätten und möglicherweise auch als rituelle Plätze.
07
Innovative Techniken
Das Gravettien zeichnet sich durch die Verwendung innovativer Techniken aus, wie zum Beispiel die Herstellung von Harpunen und Speerspitzen aus Knochen und Geweihen. Diese Werkzeuge ermöglichten den Menschen effektivere Jagdmethoden und eine breitere Nutzung von Ressourcen.