Oberlauterbacher Gruppe

Die prähistorische Evolution... ca. 5.600 – 4.600 v.Chr

Oberlauterbacher Gruppe

Die sogenannte Gruppe Oberlauterbach, auch bekannt als Oberlauterbacher Gruppe, ist eine bedeutende Regionalgruppe des Mittelneolithikums, die sich in Bayern verorten lässt. Diese Bezeichnung wurde im Jahr 1936 durch den Archäologen Ferdinand Birkner geprägt und leitet sich vom Ort Oberlauterbach ab, einem Ortsteil der Gemeinde Pfeffenhausen im Landkreis Landshut.
Eine umfassende wissenschaftliche Analyse dieser Regionalgruppe erfolgte erst wesentlich später, im Jahr 1985, durch Peter Bayerlein. Ursprünglich wurde die spätbandkeramische Kultur in den 1930er– und 1940er-Jahren als „Bayerisch Rössen“ bezeichnet. Diese Benennung verweist auf die deutlichen Parallelen im Keramikstil zur Rössener Kultur.

Gruppe Oberlauterbach

Die  Oberlauterbach Gruppe entwickelte sich zeitlich nach der Linearbandkeramik, einer frühneolithischen Kultur, die ebenfalls in Bayern stark verbreitet war. Interessanterweise zeigt die Oberlauterbacher Gruppe zudem zahlreiche stilistische Gemeinsamkeiten mit der Stichbandkeramik. Aufgrund dieser Kombination von Merkmalen aus verschiedenen kulturellen Traditionen bezeichnete Bernd Engelhardt diese archäologische Erscheinung 1983 als einen „Oberlauterbacher/stichbandkeramischen Mischstil“. Die facettenreiche stilistische Ausprägung dieser Gruppe führte 1994 zu einem weiteren Vorschlag: Man sollte sie künftig als „Südostbayerisches Mittelneolithikum“ (SOB) definieren, um den vielfältigen kulturellen und regionalen Einflüssen Rechnung zu tragen. Die Gruppe Oberlauterbach stellt somit nicht nur einen wichtigen Baustein in der Erforschung des Mittelneolithikums dar, sondern verdeutlicht auch, wie eng verschiedene kulturelle Traditionen miteinander verflochten sein können. Ihre Keramik und stilistische Vielfalt gewähren Einblicke in die Dynamik und Komplexität der damaligen Gesellschaften.

Von der Linienbandkeramik bis zur Münchshöfener Gruppe

Eine dynamische Kultur in drei Phasen

Die Oberlauterbacher Gruppe lässt sich zeitlich zwischen dem Ende der Linearbandkeramik und dem Beginn der Münchshöfener Gruppe ansiedeln. Diese Übergangsphase im Mittelneolithikum zeichnet sich durch kulturelle und stilistische Veränderungen aus, die sich in den archäologischen Funden widerspiegeln. Die früheste Zeitgrenze wird durch bedeutende Fundstellen wie Zeholfing II, Kothingeichendorf und Hienheim definiert. Der Übergang zur Münchshöfener Gruppe hingegen findet eine Bestätigung in der Galeriehöhle im Landkreis Kelheim. Besonders in der ersten Phase der Oberlauterbacher Gruppe zeigen sich Verbindungen zur Hinkelstein-Gruppe, die in späteren Phasen durch Einflüsse der Großgartacher Gruppe und der Stichbandkeramik ergänzt werden. Die jüngste Entwicklungsstufe der Oberlauterbacher Gruppe ist geprägt von intensiven Kontakten mit der späten Stichbandkeramik und der Lengyel-Kultur. Diese kulturellen Wechselwirkungen deuten auf eine dynamische und vernetzte Gesellschaft hin, die sich in ihrem Keramikstil und anderen materiellen Hinterlassenschaften widerspiegelt.

Die zeitliche Entwicklung der Oberlauterbacher Gruppe gliedert sich in
drei klar voneinander unterscheidbare Phasen:

SOB I

(ca. 5000–4800 v. Chr.): Diese erste Phase zeigt Einflüsse der Hinkelstein-Gruppe und markiert den Beginn einer eigenständigen stilistischen Entwicklung.

SOB II

Das Ältere Oberlauterbach (ca. 4800–4600 v. Chr.): Diese Phase ist durch eine stärkere Verbindung zur Großgartacher Gruppe und zur Stichbandkeramik geprägt.

SOB III

Das Jüngere Oberlauterbach (um 4600 v. Chr.): In der letzten Periode treten die Kontakte zur späten Stichbandkeramik und zur Lengyel-Kultur besonders deutlich hervor.

Die Gruppe Oberlauterbacher  repräsentiert somit nicht nur eine Übergangskultur, sondern auch einen Schnittpunkt verschiedener neolithischer Strömungen, die den Weg für die folgende Münchshöfener Gruppe ebneten. Ihre Einordnung in diese chronologischen Abschnitte bietet Archäologen eine wertvolle Grundlage zur Untersuchung kultureller Wechselwirkungen und regionaler Entwicklungen in dieser Zeit.

Handelsrouten

Das Verbreitungsgebiet der Oberlauterbacher Gruppe

Siedlungsschwerpunkte entlang von Donau und Isar: Eine Kultur zwischen Niederbayern und Westböhmen

Die Oberlauterbacher Gruppe, eine wichtige archäologische Kultur des Mittelneolithikums, konzentriert sich geographisch vor allem auf Regionen südlich der Donau. Ihre Hauptverbreitungsgebiete liegen in Niederbayern, der südlichen Oberpfalz und Teilen von Oberschwaben. Weitere Funde sind in Mittelfranken, Unterfranken, Oberbayern sowie in angrenzenden Regionen wie Salzburg und Westböhmen dokumentiert. Das Kerngebiet dieser Gruppe umfasst die Region südlich von Regensburg. Hier, entlang der Donau und der Isar, wurde ein Großteil der Fundstätten entdeckt – über zwei Drittel aller zugeordneten Artefakte stammen aus diesem Bereich. Im Norden und Nordosten wird das Verbreitungsgebiet von einer Linie begrenzt, die von der Mündung der Altmühl bis zur nördlich gelegenen Donau reicht. Letztere markiert zugleich die nördliche Hauptachse dieser Kultur.

Oberlauterbach Gruppe
Gruppe Oberlauterbach Siedlungsgebiet Illustration © OpticalArtInc

Im Westen und Südwesten erstreckt sich das Siedlungsgebiet bis in die Nähe der Lechmündung und entlang der Höhenzüge von Isar und Amper, insbesondere im Raum Freising. Das Vilstal bildet im Süden eine natürliche Grenze, an der die Ansiedlungen dieser Kultur abrupt enden. Obwohl das Hauptverbreitungsgebiet klar definiert ist, gibt es auch vereinzelte Fundplätze nördlich der Fränkischen Alb sowie im Moränengürtel nördlich des Alpenrandes, beispielsweise in den Regionen um München und Salzburg. Diese verstreuten Funde deuten auf mögliche Handels- oder Kontaktzonen hin, die über die Hauptsiedlungsgebiete hinausgingen. Interessanterweise deckt sich das Verbreitungsgebiet der Gruppe Oberlauterbacher  in Niederbayern nahezu vollständig mit dem der früheren Linienbandkeramik. Dies deutet darauf hin, dass diese Regionen kontinuierlich besiedelt oder immer wieder von neolithischen Gruppen genutzt wurden. Bekannte und bedeutende Siedlungsplätze der Oberlauterbacher Gruppe sind neben dem namensgebenden Ort Oberlauterbach unter anderem Kothingeichendorf, Künzing-Unternberg und Hienheim im Landkreis Kelheim. Diese Fundorte liefern wertvolle Einblicke in die Lebensweise, Wirtschaft und Kultur dieser archäologischen Gruppe und verdeutlichen deren regionale Bedeutung im Mittelneolithikum.

Siedlungscharakteristik der Oberlauterbacher Gruppe

Siedlungsschwerpunkte entlang von Donau und Isar

Die Siedlungen der Oberlauterbacher Gruppe zeigen eine auffällige Konzentration entlang breiter Flusstäler, insbesondere im Stromtal der Donau und im Landshuter Becken der Isar. Diese Standorte wurden strategisch gewählt, da sie auf Hochterrassen lagen, die im Frühjahr Schutz vor Überschwemmungen boten. Diese gezielte Platzwahl verdeutlicht das tiefgehende Wissen der damaligen Menschen über die natürlichen Gegebenheiten ihrer Umgebung. In Niederbayern haben archäologische Untersuchungen zudem Befestigungsanlagen auf Geländespornen ans Licht gebracht. Ob diese Anlagen primär zum Schutz vor menschlichen Bedrohungen oder anderen Gefahren dienten, bleibt unklar. Sicher ist jedoch, dass solche exponierten Standorte zusätzliche Sicherheit boten und eine gute Übersicht über das Umland gewährten. Die bevorzugten Böden für die Besiedlung waren fruchtbare Lössböden, die optimale Bedingungen für den Ackerbau boten.

Kreisgrabenanlage
Kreisgrabenanlage in Künzing_Unternberg. Rekonstruktion im Museum Quintana, Künzing

Ausgrabungen in Hienheim lieferten Grundrisse von Gebäuden, die auf die Verwendung von Pfostenbauten mit gebogenen Längswänden hindeuten. Diese Bauweise weist starke Parallelen zur Rössener Kultur und deren charakteristischen Langhäusern auf, was auf kulturelle Einflüsse oder eine gemeinsame Tradition schließen lässt. Innerhalb der Siedlungen stießen Archäologen auf eine besondere Struktur: sogenannte Doppelgrabenrondelle. Diese von einem Doppelgraben umgebenen Kreisgrabenanlagen hatten vermutlich eine rituelle oder gemeinschaftliche Funktion und unterstreichen die soziale Komplexität der Oberlauterbacher Gruppe. Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal ist die räumliche Nähe vieler Siedlungen zueinander. Diese enge Anordnung deutet auf eine starke soziale Kohäsion und das Bedürfnis nach Gemeinschaft hin. Die politischen und gesellschaftlichen Strukturen scheinen von Gruppenbildung und Zusammenhalt geprägt gewesen zu sein, was möglicherweise auch bei der Organisation von Landwirtschaft, Bauprojekten und der Verteidigung eine Rolle spielte. Die Kombination aus durchdachter Siedlungswahl, fortschrittlicher Bauweise und sozialen Netzwerken macht die Oberlauterbacher Gruppe zu einem faszinierenden Beispiel für die komplexe Organisation neolithischer Gesellschaften in Süddeutschland.

Bestattungen

Bestattungsritus der Oberlauterbacher Gruppe

Bestattungspraktiken

Die Informationen über den Bestattungsritus der Oberlauterbacher Gruppe sind bislang begrenzt, doch einige archäologische Funde geben Aufschluss über ihre Bestattungstraditionen. Gräber wurden meist einzeln oder in kleinen Gruppen angelegt, wobei größere Gräberfelder bisher nicht nachgewiesen wurden. Die geborgenen Skelette zeigen, dass die Verstorbenen überwiegend in gestreckter Rückenlage bestattet wurden, häufig mit angewinkelten Beinen. Gelegentlich traten auch seitliche Hocklagerungen auf, die möglicherweise symbolische oder rituelle Bedeutung hatten. Eine typische Orientierung der Gräber von Ost/Nordost nach West/Südwest wurde beobachtet, was Parallelen zu anderen zeitgleichen Kulturen Süddeutschlands, wie der Hinkelstein- und der Großgartacher Gruppe, erkennen lässt. Auffällig ist die geringe Anzahl an Grabbeigaben, die bei den Bestattungen gefunden wurden. Einige Gräber enthielten Schmuck wie Kalksteinketten, Muschelperlen oder Gehäuse von Weinbergschnecken. Selten fanden sich auch Pfeilspitzen oder Gefäßscherben. Die meisten Gräber waren jedoch weitgehend frei von Beigaben, was auf eine sparsame Tradition oder eine andere Form der Erinnerungskultur hinweisen könnte. Die spärliche Ausstattung der Gräber deutet darauf hin, dass die Gruppe Oberlauterbacher möglicherweise weniger Wert auf materielle Beigaben legte oder diese an andere Orte transferierte. Alternativ könnte dies auch eine ökonomische Entscheidung sein, die von den Ressourcen der Gemeinschaft beeinflusst wurde. Insgesamt fügt sich der Bestattungsritus der Oberlauterbacher Gruppe in das übergeordnete kulturelle Bild des Mittelneolithikums in Süddeutschland ein. Die Ähnlichkeiten zu anderen regionalen Gruppen deuten darauf hin, dass es in dieser Zeit eine übergreifende kulturelle Verbindung oder einen Austausch von rituellen Praktiken gab.

Oberlauterbach Gruppe
Gruppe Oberlauterbach Bestattungspositionen in gestreckter Rückenlage mit leicht angewinkelten Beinen, ausgerichtet von OstNordost nach WestSüdwest. Beispiel Bild - Illustration © OpticalArtInc
Mutter-Göttin

Archäologisches Inventar der Oberlauterbacher Gruppe

Siedlungsschwerpunkte entlang von Donau und Isar

Das archäologische Fundmaterial der Oberlauterbacher Gruppe bietet spannende Einblicke in die Handwerkskunst und ästhetischen Vorlieben dieser mittelneolithischen Kultur. Besonders die Keramik zeichnet sich durch charakteristische Formen und Verzierungen aus, die sowohl funktional als auch dekorativ waren. Typische Gefäßformen umfassen birnförmige Schalen und Gefäße, Töpfe mit markantem Bauchknick sowie kugelige bis doppelkonische Becher. Besonders auffällig sind Becher mit weit ausschwingendem Rand, die eine elegante und gleichzeitig praktische Gestaltung zeigen. Diese Formensprache weist deutliche Verbindungen zu anderen neolithischen Kulturen der Region auf. In Bezug auf die Verzierung dominiert der sogenannte „Geißfuß“, eine Doppelstichtechnik, die sowohl präzise als auch dekorativ eingesetzt wurde.

Oberlauterbach Gruppe
Gruppe Oberlauterbach Ritz- und stichverzierte Gefäße

Ein weiteres markantes Ornament ist das sogenannte „Halsband“, eine umlaufende Verzierung, die den oberen Bereich der Gefäße schmückt und möglicherweise symbolische Bedeutung hatte. Ein besonderes Merkmal der Keramik sind die Zapfenhenkel, auch als „Hörnchenhenkel“ bezeichnet. Diese Henkelart, die funktional und dekorativ zugleich ist, hebt die Keramik der Oberlauterbacher Gruppe von anderen regionalen Kulturen ab. Einflüsse der jüngeren Lengyel-Kultur sind im Stil der Oberlauterbacher Keramik ebenfalls erkennbar. Diese kulturelle Verbindung deutet auf einen regen Austausch und wechselseitige Beeinflussung zwischen den Gruppen hin, was die dynamische Kulturentwicklung im Neolithikum unterstreicht. Ein bemerkenswertes Beispiel für das keramische Inventar ist ein Fragment einer Schale, das in Passau entdeckt wurde. Solche Funde sind von großer Bedeutung, da sie nicht nur die Handwerkskunst der damaligen Zeit dokumentieren, sondern auch Hinweise auf Handelsbeziehungen und die Verbreitung kultureller Einflüsse geben. Das archäologische Inventar der Oberlauterbacher Gruppe zeigt eindrucksvoll, wie Form, Funktion und Ästhetik in der neolithischen Gesellschaft miteinander verwoben waren und spiegelt gleichzeitig die regionalen und überregionalen Dynamiken dieser Epoche wider.

Mittelneolithikum

STECKBRIEF

01

Name

Oberlauterbacher Gruppe od. Gruppe Oberlauterbacher 

02

Alter

ca. 5000–4600 v. Chr.

  • Gliederung in drei Phasen:
    • SOB I (ca. 5000–4800 v. Chr.)
    • SOB II (Älteres Oberlauterbach, ca. 4800–4600 v. Chr.)
    • SOB III (Jüngeres Oberlauterbach, um 4600 v. Chr.)

03

Geografische Verbreitung

  • Schwerpunkt südlich der Donau: Niederbayern, südliche Oberpfalz, Oberschwaben
  • Weitere Fundorte: Mittelfranken, Unterfranken, Oberbayern, Salzburg, Westböhmen
  • Kerngebiet: Regensburg, Landshuter Becken, entlang von Isar und Donau

04

Siedlungscharakteristik

  • Siedlungen entlang breiter Flusstäler und auf Hochterrassen
  • Bevorzugte Böden: fruchtbarer Löss
  • Befestigungsanlagen auf Geländespornen nachgewiesen
  • Gebäudetyp: Pfostenbauten mit gebogenen Längswänden, Vergleich zur Rössener Kultur
  • Besondere Strukturen: Doppelgrabenrondelle innerhalb der Siedlungen

05

Bestattungsritus

  • Einzel- oder Kleingräber, oft spärlich ausgestattet
  • Hauptsächlich gestreckte Rückenlage, teils mit angewinkelten Beinen
  • Orientierung der Gräber: Ost/Nordost – West/Südwest
  • Grabbeigaben: selten, z. B. Kalksteinketten, Muschelperlen, Gefäßscherben, Pfeilspitzen

06

Archäologisches Inventar

Typische Keramik:

  • Birnförmige Gefäße
  • Töpfe mit Bauchknick
  • Kugelige und doppelkonische Becher
  • Becher mit weit ausschwingendem Rand
  •  

07

Besonderheiten

  • Kulturelle Nähe zu Hinkelstein- und Großgartacher Gruppe
  • Starke soziale Kohäsion und gruppenbasierte Organisation
  • Regionale Anpassungen an landschaftliche und klimatische Gegebenheiten

Mittelneolithikum KULTUREN

OBERLAUTERBACHER-GRUPPE
ca. 5.600 – 4.600 v.Chr

LENGYEL-KULTUR
ca. 5.000 – 4.400 v.Chr

Hinkelstein-Gruppe

HINKELSTEIN-GRUPPE
ca. 5.000 – 4.800 v.Chr

GROßGARTACHER-KUlTUR
ca. 4.900 – 4.700 v.Chr

Stichbandkeramik

STICHBANDKERAMIK
ca. 4.900 – 4.500 v.Chr

Rössener Kultur

RÖSSNER-KULTUR
ca. 4.790 – 4.550 v.Chr

Theiß-Kultur

THEIß-KULTUR
ca. 4.200 – 3.200 v.Chr

Quellenangaben zum Inhalt der Seite

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