Die prähistorische Evolution... ca. 1,9 bis 1,4 Mio. Jahre vor heute.
Homo ergaster
Homo ergaster, eine ausgestorbene Spezies der Gattung Homo, lebte im Altpleistozän. Diese Art wird ausschließlich durch Fossilien aus Afrika repräsentiert, die auf ein Alter von 1,9 bis 1,4 Millionen Jahren datiert wurden. Bedeutende Fundorte dieser Chronospezies sind Koobi Fora in Ostafrika und Swartkrans in Südafrika. Darüber hinaus gibt es einige Funde, die möglicherweise nur 1 Million Jahre alt sind und aus jüngeren geologischen Schichten stammen.
Der Name der Gattung Homo stammt vom lateinischen Wort „homo“ [ˈhɔmoː], was „Mensch“ bedeutet. Das Epitheton „ergaster“ leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet „Arbeiter“. Somit kann Homo ergaster als „der arbeitende Mensch“ übersetzt werden, was auf den Gebrauch von Steinwerkzeugen hinweist, der dieser Art zugeschrieben wird. Interessanterweise sind die ältesten bekannten Steinwerkzeuge mit einem Alter von mindestens 2,5 Millionen Jahren deutlich älter als die Fossilien von Homo ergaster. Diese frühen Werkzeuge wurden vermutlich von Homo rudolfensis und Homo habilis hergestellt.
Der Werkzeuggebrauch von Homo ergaster
Homo ergaster wird die Herstellung und der Gebrauch von Werkzeugen zugeschrieben, was auch im Art-Epitheton „ergaster“ – „der arbeitende Mensch“ – zum Ausdruck kommt. Allerdings wurden einige dieser Werkzeuge vom Oldowan-Typ in denselben geologischen Schichten gefunden, in denen auch Fossilien von Paranthropus boisei entdeckt wurden. Andere Fossilien von Homo ergaster stammen hingegen aus Schichten, in denen bisher keine Werkzeuge gefunden wurden. Daher wird der Werkzeuggebrauch durch Homo ergaster als wahrscheinlich angesehen, ist jedoch nicht endgültig gesichert.
Die Ernährung und der Lebensraum von Homo ergaster
Ein Blick in die Vergangenheit unserer Vorfahren
Die Ernährungsweise von Homo ergaster bleibt weitgehend im dunklen verborgen, doch seine kleineren Backenzähne im Vergleich zu den Australopithecinen deuten auf eine weichere Nahrung oder auf Nahrung, die mit Werkzeugen bearbeitet wurde. Diese Annahme wird durch Ähnlichkeiten bei Zähnen, Kiefern und Muskelansatzstellen unterstützt, die darauf hindeuten, dass seine Ernährung der von Homo habilis ähnelte. Er lebte in einer Vielfalt von Lebensräumen, darunter Wälder mit dichtem Unterholz, offene Wasserflächen und zeitweise überschwemmte Graslandschaften. Diese Umgebung lässt vermuten, dass auch wasserlebende Tiere, die in saisonal austrocknenden Gewässern leicht zugänglich waren, eine Rolle in seiner Ernährung spielten und zur Versorgung mit eiweißreicher Nahrung beitrugen. Ein interessanter Fund aus Koobi-Fora (Sammlungsnummer: KNM-ER 1808) zeigt Veränderungen, die auf einen übermäßigen Vitamin-A-Konsum hinweisen, wahrscheinlich durch den Verzehr von Tierlebern. Ob diese Tiere gejagt oder als Aas gefunden wurden, ist jedoch nicht klar belegt.
Evolutionsbiologin Marlene Zuk betont, dass Homo ergaster möglicherweise die erste Hominini-Art war, die aufgrund ihres Körperbaus zum ausdauernden Langstreckenlaufen fähig war. Dies hätte es ihnen ermöglicht, schnell zu den Überresten von Beutetieren großer Raubtiere zu gelangen und sich als Aasfresser mit proteinreicher Kost zu versorgen, unterstützt durch den Einsatz anspruchsvoller Steinwerkzeuge. Genetische Studien an Bandwürmern der Gattung Taenia deuten darauf hin, dass Homo ergaster möglicherweise in engem Kontakt mit Raubtieren und Aasfressern stand. Arten wie Taenia saginata und Taenia asiatica, die auch beim Menschen vorkommen, sind eng verwandt mit Bandwürmern in afrikanischen Löwen, während Taenia solium eng verwandt ist mit Bandwürmern der Hyänen. Ursprünglich wurde angenommen, dass diese Bandwürmer erst mit der Viehzucht vor etwa 10.000 Jahren auf den Menschen übergegangen seien. Neuere genetische Untersuchungen legen jedoch nahe, dass dieser Übergang möglicherweise bereits vor 1,7 Millionen Jahren sich ereignette.
Die Erstbeschreibung von Homo ergaster
Eine Neubetrachtung der menschlichen Evolutionsgeschichte
Der Holotypus von Homo ergaster besteht aus zwei zusammengehörigen Fragmenten eines gut erhaltenen und nahezu vollständig bezahnten Unterkiefers (Sammlungsnummer KNM-ER 992). Dieser stammt von einem erwachsenen Individuum und wurde bereits 1971 von Richard Leakey in Koobi Fora, Kenia, entdeckt. Das Alter des Fundes wurde auf etwa 1,5 Millionen Jahre geschätzt. Leakey veröffentlichte den Fund 1972 und ordnete ihn der Gattung Homo zu, ohne jedoch eine spezifische Art zu benennen. Erst 1975 erfolgte die Benennung durch Colin Groves und Vratislav Mazák in einer tschechischen Fachzeitschrift. Zusätzlich zum Typusexemplar wurden in der Erstbeschreibung ein Dutzend Fragmente von Unter- und Oberkiefern mit einigen erhaltenen Zähnen als Paratypen aufgeführt. Diese wurden ebenfalls von Richard Leakey am Ostufer des Turkana-Sees in Kenia entdeckt. Interessanterweise wurden diese Funde zwar von Australopithecus africanus und Homo habilis abgegrenzt, jedoch nicht von Homo erectus.
Alle Funde aus Südafrika, die in der Erstbeschreibung in die Nähe von Homo ergaster gestellt wurden, waren bereits 1949 von John T. Robinson entdeckt und von ihm als Telanthropus capensis bezeichnet worden. In der Erstbeschreibung wurde darauf hingewiesen, dass die zur Definition von Homo ergaster herangezogenen Fossilien von Richard Leakey entdeckt worden waren. Unter normalen Umständen hätte man das Epitheton „leakey“ gewählt, jedoch war diese Bezeichnung Homo leakeyi bereits 1963 von Gerhard Heberer für eine Variante des Homo erectus vergeben worden. Die in Koobi Fora entdeckten Funde werden im kenianischen Nationalmuseum in Nairobi aufbewahrt, während die Funde aus Swartkrans im Transvaal Museum in Pretoria untergebracht sind.
Unterscheidende Merkmale von Homo ergaster
Die Evolution einer frühen Menschheit
Zahlreiche Fossilien werden dem Homo ergaster zugeschrieben, die jedoch von anderen Forschern als frühere Formen von Homo erectus angesehen werden, da die Unterschiede zwischen den beiden Arten gering sind. Charakteristisch für den Schädel von Homo ergaster ist unter anderem ein durchgehender, mäßig breiter Knochenwulst über den weit auseinander liegenden Augen, die aus nahezu senkrecht stehenden Knochen im oberen Gesichtsbereich hervortreten. Der Oberkiefer ragt weit nach vorne, was den Kiefern eine schnauzenartige Form verleiht; der Abstand zwischen Mund und Nasenöffnung ist beträchtlich. Morphologische Unterschiede zwischen Homo ergaster und Homo erectus umfassen einen generell graziler gebauten Körper, längere und schmalere Molaren, komplexere Wurzeln der Prämolaren, dünnere Schädelknochen, das Fehlen eines Knochenkamms auf dem Schädel, einen weniger ausgeprägten Überaugenwulst, eine höhere Schädelwölbung, eine geringere postorbitale Einschnürung und eine schmalere Schädelbasis.
Das Gehirnvolumen von Homo ergaster variierte zwischen 750 und 900 cm³. Es gibt jedoch Funde, die ein deutlich kleineres Gehirn aufweisen; zum Beispiel wurde für das Fossil KNM-ER 1805 ein Volumen von nur 582 cm³ berechnet. Ob diese große Variationsbreite auf geschlechtsspezifische Unterschiede oder auf die Zugehörigkeit zu zwei verwandten Arten zurückzuführen ist, bleibt unklar. Der Nariokotome-Junge, ein gut erhaltenes Fossil von Homo ergaster, war zum Zeitpunkt seines Todes etwa 1,50 bis 1,60 Meter groß und hätte als Erwachsener vermutlich eine Körpergröße von 1,85 Meter und ein Gewicht von rund 70 Kilogramm erreicht. Seine Arm- und Beinlängen ähneln denen des modernen Menschen. Aufgrund der Struktur seiner Schulterblätter und Schienbeine wird jedoch angenommen, dass sich junge Homo ergaster länger auf vier Beinen fortbewegten als heutige Menschenkinder. Im Gegensatz zu einigen ursprünglichen Merkmalen im Kopfbereich sind die Beinknochen von Homo ergaster für ausdauerndes aufrechtes Laufen ausgelegt. Hinweise auf eine häufige Nutzung der Bäume fehlen.
Die Klassifikation von Homo ergaster
Einblicke in die taxonomische Einordnung früher Hominiden
Die durch Groves und Mazák Erstbeschreibung von Homo ergaster, basierte nicht auf neuen Fossilienfunden, sondern auf einer Umgruppierung und Neuordnung bereits bekannter Fossilien, die teilweise schon Jahrzehnte zuvor entdeckt worden waren. Diese Neubeschreibung und Benennung der Art Homo ergaster erfolgte 1975, doch die Publikation von Groves und Mazák wurde in den Folgejahren von der paläoanthropologischen Gemeinschaft kaum beachtet. Der Name Homo ergaster wurde selten verwendet, da er oft als Synonym für Homo erectus betrachtet wurde. In den 1990er Jahren begannen jedoch einige Forscher zu betonen, dass die afrikanischen Fossilien von Homo erectus signifikante Unterschiede zu den „klassischen“ Funden aus Asien (wie dem Java-Menschen und dem Peking-Menschen) aufweisen. Diese Forscher sahen Homo rudolfensis als möglichen Vorfahren von Homo ergaster an, während Homo erectus als Nachfolger aus Homo ergaster hervorgegangen sein könnte. Homo ergaster teilte seinen Lebensraum in Afrika mit anderen Hominini-Arten aus derselben Epoche, darunter Paranthropus boisei, Homo rudolfensis und möglicherweise Homo habilis. Die Frage, ob Homo ergaster den Status einer eigenständigen Art verdient oder lediglich als frühe, regionale Variante von Homo erectus betrachtet werden sollte, bleibt in der Paläoanthropologie umstritten. Diese Debatte spaltet die Forscher in sogenannte Lumper und Splitter. Viele der Fossilien, die heute von einigen Wissenschaftlern Homo ergaster zugeschrieben werden, wurden ursprünglich als Homo erectus klassifiziert und werden von anderen Forschern weiterhin dieser Art zugeordnet.
Das Holotyp-Exemplar, der Unterkiefer KNM-ER 992, wird aufgrund der großen und größenabhängigen Variationsbreite der Unterkiefer von Homo erectus und Homo ergaster als problematisch angesehen. Die Namensgeber von Homo ergaster hatten bei der Beschreibung dieses Kieferknochens keine charakteristischen Unterschiede aufgezeigt, die ihn eindeutig von Homo habilis abgrenzen würden. 1992 ordnete Bernard Wood in einem Review-Artikel in der Fachzeitschrift Nature dennoch weitere Funde Homo ergaster zu, darunter die erhaltenen fossilen Schädel KNM-ER 3733 und 3883, die ursprünglich als Homo erectus klassifiziert worden waren. Auch den Nariokotome-Jungen stufte er als Vertreter von Homo ergaster ein. Interessanterweise wird der Holotyp KNM-ER 992 von einigen Paläoanthropologen weiterhin als Homo erectus oder Homo habilis angesehen. John T. Robinson argumentierte 1972 in Nature sogar, dass dieses Fossil nicht von Australopithecus africanus zu unterscheiden sei. Einige andere Fossilien, die Homo ergaster zugeschrieben wurden, sind so fragmentarisch, dass ihre Zuordnung hauptsächlich auf ihrem Alter basiert und nicht auf spezifischen morphologischen Merkmalen.
Homo ergaster
STECKBRIEF
01
Name
Homo ergaster
02
Alter
Vor etwa 1,9 bis 1,4 Millionen Jahren im Altpleistozän
03
Entdecker
Erstmals durch Richard Leakey in Koobi Fora, Kenia, entdeckt
04
Erstbeschreibung
Benennung durch Colin Groves und Vratislav Mazák im Jahr 1975
05
Merkmale
Charakterisiert durch einen relativ modernen Körperbau, mit einem größeren Gehirnvolumen als Australopithecinen. Typische Merkmale sind ein durchgehender, mäßig breiter Knochenwulst über den Augen und ein nach vorne ragender Oberkiefer.
06
Lebensraum
Homo ergaster bewohnte verschiedene Lebensräume in Afrika, darunter Wälder mit dichtem Unterholz, offene Wasserflächen und Graslandschaften.
07
Ernährung
Die genaue Ernährung von Homo ergaster ist nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass sie eine vielfältige Diät hatten, die sowohl Fleisch als auch Pflanzen umfasste. Werkzeuggebrauch wird vermutet, um Nahrung zu beschaffen und zu verarbeiten.
08
Klassifikation
In der Taxonomie wird Homo ergaster als eine frühe Spezies der Gattung Homo betrachtet, die eng mit Homo erectus verwandt ist.
09
Fundorte
Hauptfundorte sind Koobi Fora in Kenia und Swartkrans in Südafrika