Eine der ältesten Städte der Menschheitsgeschichte.. Erbaut vor ca. 11.000
Jericho
Die Stadt Jericho, die als eine der ältesten Siedlungen der Welt gilt, liegt etwa 10 Kilometer nordwestlich von der heutigen Mündung des Jordanflusses ins Tote Meer. Ihre Wurzeln reichen tief in die Vergangenheit zurück, denn die frühesten Siedlungsschichten dieses historischen Ortes sind beeindruckende 11.000 Jahre alt. Bereits im 8. Jahrtausend vor Christus begannen die Bewohner Jerichos, ihre Ansiedlung zu einer stadtähnlichen Struktur auszubauen. Diese frühe Form der Stadtentwicklung war beispiellos für die damalige Zeit. Zu Hochzeiten lebten dort bis zu 3.000 Menschen, die sich fest an diesen Ort gebunden fühlten. Hinweise auf die religiösen Praktiken der damaligen Bevölkerung lassen vermuten, dass der Glaube an ein Leben nach dem Tod sowie eine Form des Ahnenkults, deren genaue Ausgestaltung heute jedoch im Dunkeln liegt, von zentraler Bedeutung waren.
Obwohl Jericho durch beeindruckende Befestigungsanlagen geschützt war, konnte die Stadt nicht verhindern, dass sie im Laufe ihrer langen Geschichte mindestens zweimal erobert und zerstört wurde. Eine dieser Zerstörungen ist im Alten Testament verewigt, in dem die berühmte Geschichte erzählt wird, wie die Mauern Jerichos durch das Schall der göttlichen Posaunen zum Einsturz gebracht wurden. An den Stadtrand Jerichos schließt sich der Tell es-Sultan an, ein etwa 20 Meter hoher Ruinenhügel, der die Überreste des prähistorischen Jericho birgt. Dieser Hügel ist nicht nur eine beeindruckende archäologische Stätte, sondern auch ein Zeugnis der unzähligen Zyklen von Zerstörung und Wiederaufbau, die diese Stadt im Laufe der Jahrtausende durchlebt hat. Immer wieder wurde Jericho, nachdem es zerstört und sogar zeitweise aufgegeben wurde, auf den Überresten der alten Siedlungen neu errichtet, was zur heutigen Höhe des Tells führte. Dieser Tell, zusammen mit den Relikten der Siedlungen, die über Jahrtausende hinweg auf demselben Platz errichtet wurden, macht Jericho zu einem der wichtigsten archäologischen Orte der Welt. Neben dem türkischen Çatalhöyük gehört Jericho zu den ältesten städtischen Siedlungen, die je entdeckt wurden und gibt uns einen einzigartigen Einblick in die frühe städtische Zivilisation der Menschheit.
Jericho im Neolithikum
Eine Reise durch die Frühgeschichte der Siedlung
Die ersten Spuren menschlicher Besiedlung in der Nähe der heutigen Stadt Jericho lassen sich bis in das 10. Jahrtausend vor Christus zurückverfolgen. Während dieser Zeit, insbesondere im Präkeramischen Neolithikum B (PPNB), erlebte der Tell es-Sultan, der archäologische Hügel von Jericho, eine bedeutende Entwicklung. Hier sind eindeutige Hinweise auf den Übergang von einer Jäger- und Sammlergesellschaft zu einer agrarischen Lebensweise zu finden: Ackerbau und Viehzucht wurden in dieser Epoche nachweislich betrieben. Ein besonders faszinierendes Merkmal dieser frühen Siedlung ist die Errichtung einer Stadtmauer, deren Zweck bis heute unter Archäologen umstritten ist. Die renommierte Archäologin Kathleen Kenyon datiert diese Mauer auf spätestens 8300 v. Chr. Neben dieser Befestigung wurden auch der berühmte Turm von Jericho und möglicherweise zusätzliche Verteidigungsanlagen errichtet. Andere Experten vermuten, dass die Mauer weniger als militärischer Schutz, sondern vielmehr als Schutz vor winterlichen Regenfluten aus den umliegenden Bergen diente. Zu dieser Zeit lebten schätzungsweise etwa 3.000 Menschen in Jericho, die sich jedoch weder mit Töpferei noch mit Metallverarbeitung auskannten.
Nach einer Periode, in der die Siedlung aufgegeben wurde, fand gegen Ende des 7. Jahrtausends v. Chr. eine erneute Besiedlung statt. Diese Phase brachte einige Neuerungen mit sich: Die Häuser wurden nun in rechteckiger Form gebaut, und es entstanden neue Formen des Totenkults. Diese kulturellen Veränderungen zeugen von einem bedeutenden Wandel in der sozialen und religiösen Struktur der damaligen Gesellschaft. Um etwa 5500 v. Chr. verließen die Bewohner Jericho erneut, und die Gründe dafür bleiben bis heute rätselhaft, da keine Anzeichen für eine gewaltsame Zerstörung gefunden wurden. Im folgenden Jahrtausend wurde die Siedlung mehrfach aufgegeben und wieder besiedelt. Im 5. Jahrtausend brachten neue Siedler das Töpferhandwerk nach Jericho, und die Architektur der Häuser wandelte sich erneut: Die neuen Gebäude waren quadratisch und wurden nun mit Ziegelsteinen und Steinfundamenten errichtet. Diese Phase der Besiedlung fand jedoch um 4000 v. Chr. ihr Ende. Die Stadt verfiel abermals, und Jericho blieb für mehrere Jahrhunderte eine verlassene Ruine, bis es schließlich in späteren Epochen erneut besiedelt wurde.
Jericho in der Frühbronzezeit (3300–2000 v. Chr.)
Jerichos Aufstieg und Zerstörung
Nach einer längeren Phase der Aufgabe und Verlassenheit, begann in der Frühbronzezeit I (3300–3000 v. Chr.) ein neuer Abschnitt der Besiedlung auf dem Tell es-Sultan, wie aus archäologischen Funden in den umliegenden Grabanlagen hervorgeht. Die Funde von zwei verschiedenen Arten von Keramikware deuten darauf hin, dass sich in Jericho zwei unterschiedliche Bevölkerungsgruppen niederließen. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um zugewanderte Hirten sowie um die Nachfahren der früheren, ansässigen Bevölkerung. Diese beiden Gruppen legten den Grundstein für die entstehende bronzezeitliche Stadtkultur Jerichos. Während der Frühbronzezeit II-III (3000–2200 v. Chr.) erlebte Jericho eine Phase intensiver urbaner Entwicklung und Verstärkung seiner Befestigungen. In dieser Zeit wurden zwei massive Ringmauern errichtet, die auf eine Zunahme kriegerischer Auseinandersetzungen hindeuten. Zusätzlich wurde später ein Graben angelegt, der die Verteidigungsanlagen ergänzte. Die Wohnbauten jener Zeit bestanden sowohl aus runden als auch aus rechteckigen Häusern, was auf eine gewisse Vielfalt in der Bauweise und möglicherweise auf soziale Differenzierungen hinweist.
Archäologische Funde aus dieser Epoche, darunter zahlreiche Gegenstände, belegen weitreichende Handelsbeziehungen Jerichos mit benachbarten und entfernteren Regionen. Besonders intensiv waren die Handelskontakte mit Gebieten in Syrien, Anatolien und Ägypten. Diese Beziehungen verdeutlichen die Bedeutung Jerichos als Handelszentrum in der Region. Das Ende der Frühbronzezeit III B brachte jedoch eine verheerende Zerstörung der Stadt, die durch eine Brandkatastrophe verursacht wurde. Ob ein Erdbeben diese Katastrophe auslöste, bleibt spekulativ, doch die Ausgrabungen zeigen, dass Jericho erneut schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Mit dem Beginn der Frühbronzezeit IV / Mittelbronzezeit I (2200–2000 v. Chr.) setzte auf dem Tell es-Sultan eine erneute, wenn auch kleinere Besiedlungswelle ein. Die neuen Bewohner, vermutlich Viehzüchter und Halbnomaden, ließen sich nieder, wobei ihre genaue Herkunft noch ungeklärt ist. Diese Gemeinschaft führte neue Grabanlagen ein, deren Zugang über senkrechte Schächte erfolgte. Besonders auffällig ist, dass die Gräber in dieser Zeit ausschließlich für Einzelpersonen genutzt wurden und nach dem Rang oder dem Vermögensstatus des Verstorbenen mehr oder weniger aufwendig ausgestattet waren. Diese Praxis zeigt einen klaren sozialen Unterschied, der sich in den Begräbnisritualen der damaligen Zeit widerspiegelte.
Jericho in der Mittelbronzezeit (2000–1550 v. Chr.):
Wiederaufbau und erneute Zerstörung Jerichos
Nach einer langen Phase der Verwüstung und Aufgabe wurde Jericho erst 400 Jahre nach der letzten Zerstörung durch kanaanäische Siedler wieder aufgebaut. Diese neuen Bewohner errichteten den Ort auf den Ruinen der alten Stadt. Später erweiterten die Hyksos, ein fremdes Volk, das zu dieser Zeit in Ägypten und der Levante große Macht erlangt hatte, Jericho auf eine Fläche von mehr als vier Hektar. Sie umgaben die Stadt mit einem massiven Stadtwall, der als Schutz vor feindlichen Angriffen diente. Die Mittelbronzezeit in der Levante, zu der auch Jericho gehörte, fand etwa 1550 v. Chr. ihr Ende, als der altägyptische Pharao Ahmose I. eine Reihe von Feldzügen unternahm, um die Hyksos zu vertreiben und die ägyptische Herrschaft wiederherzustellen. Ahmose begann diese Feldzüge kurz nach seinem Machtantritt, doch es dauerte fast 22 Jahre, bis er möglicherweise bis zum Euphrat vorstieß und die Hyksos endgültig besiegte. In etwa dieselbe Zeit fällt auch eine weitere verheerende Zerstörung Jerichos. Archäologische Untersuchungen auf dem Tell es-Sultan belegen, dass die Stadt durch eine massive Feuersbrunst zerstört wurde. Diese Zerstörung wird auch in der Bibel erwähnt: Im 6. Kapitel des Buches Josua wird berichtet, dass die Mauern Jerichos durch das Schall der Posaunen der Priester und das Kriegsgeschrei der Israeliten zum Einsturz gebracht wurden. Nach der Eroberung ließ Josua die Stadt in Flammen aufgehen. Diese biblische Erzählung korrespondiert in gewisser Weise mit den archäologischen Befunden, wenngleich die biblischen Zeitangaben auf ein etwas späteres Datum hindeuten.
Interessanterweise gibt es Hinweise auf eine Bodenabwärtsverschiebung des südöstlichen Stadtviertels, die auf ein mögliches Erdbeben zu jener Zeit hinweist. Dieses Erdbeben könnte mitverantwortlich für die Zerstörung durch Feuer gewesen sein. Früher wurde vermutet, dass diese Zerstörung im Zusammenhang mit der Vertreibung der Hyksos stand. Getreidereste aus den Trümmern dieser Zerstörungsschicht wurden mit der 14C-Methode auf die Zeiträume 1601–1566 v. Chr. oder 1561–1524 v. Chr. datiert, was die Komplexität der Ereignisse in dieser Epoche unterstreicht. Allerdings lassen Keramikfunde aus derselben Schicht auf eine wesentlich spätere Zeit schließen, was zu weiteren Diskussionen in der Forschung geführt hat. Erst kurz vor dem Ende der Mittelbronzezeit konnte der Bau einer neuen Stadtmauer nachgewiesen werden, die eindeutig zu Verteidigungszwecken errichtet wurde. Diese Mauer symbolisiert den ständigen Kampf der Bewohner Jerichos um Schutz und Sicherheit in einer Zeit, die von politischen Umbrüchen und Naturkatastrophen geprägt war. Jericho, als eine der ältesten Stadt der Welt, erlebte somit auch in der Mittelbronzezeit eine wechselvolle Geschichte von Wiederaufbau, Expansion und Zerstörung.
Jericho in der Spätbronzezeit (1550–1150 v. Chr.):
Der Niedergang von Jericho
In der Spätbronzezeit, etwa zwischen 1550 und 1150 v. Chr., erlebte Jericho eine Phase des Wandels und des Niedergangs. Archäologische Funde wie Keramik, die teilweise aus Zypern importiert wurde, sowie mehrere Skarabäen, die in den umliegenden Gräbern entdeckt wurden, belegen die Besiedlung Jerichos bis in die Spätbronzezeit II A (1400–1300 v. Chr.). Die Skarabäen stammen aus der Zeit von Pharaonen wie Hatschepsut, Thutmosis III. und Amenophis III., was auf Handels- und vielleicht auch diplomatische Verbindungen mit dem alten Ägypten hinweist. Weitere Funde, darunter eine Keilschrifttafel und Überreste von Häusern im südöstlichen Bereich der Siedlung, bestätigen ebenfalls die Anwesenheit von Menschen in dieser Epoche. Trotz dieser Belege war die Besiedlung Jerichos in der Spätbronzezeit deutlich reduziert im Vergleich zu früheren Zeiten. Nach der Zerstörung der Stadt, die möglicherweise bereits im 16. Jahrhundert v. Chr. stattfand, wurde Jericho nicht wieder in seiner vollen Größe aufgebaut. Stattdessen entstand eine kleinere Siedlung, die eher den Charakter eines Dorfes hatte. Die früheren massiven Stadtmauern, die einst Jericho umgaben und schützten, wurden nicht wiedererrichtet. Dieser Befund deutet darauf hin, dass Jericho in dieser Zeit keine große Bedeutung mehr als befestigte Stadt hatte.
Wenn die Zerstörung Jerichos tatsächlich im 16. Jahrhundert v. Chr. stattfand, ist es unwahrscheinlich, dass diese Ereignisse mit der biblisch beschriebenen Landnahme der Israeliten unter Josua im Jahr 1400 v. Chr. in Verbindung stehen. Dieser zeitliche Widerspruch wirft Fragen über die historische Genauigkeit der biblischen Erzählung auf, zumindest in Bezug auf die Datierung. Auch in den umliegenden Gebieten sind seit der Regierungszeit von Thutmosis III. kaum noch Befestigungsanlagen nachweisbar. Dies könnte mit dem Einflussbereich des ägyptischen Reiches in der Region zusammenhängen, das möglicherweise eine stabilisierende oder kontrollierende Rolle spielte, die auf den Bau von Befestigungen verzichtete. Bis spätestens zum Beginn des 13. Jahrhunderts v. Chr. war Jericho zu einem unbewohnten Ruinenhügel verfallen. Die genauen Gründe für die endgültige Aufgabe der Siedlung bleiben unbekannt, und es gibt keinen klaren Hinweis auf eine gewaltsame Zerstörung in dieser Zeit. Jericho lag für mehrere Jahrhunderte brach, bis im 11. oder 10. Jahrhundert v. Chr. neue Versuche unternommen wurden, die Siedlung wiederzubeleben. Doch diese neuen Anfänge sollten erst in späteren Jahrhunderten von dauerhaftem Erfolg gekrönt sein. Die Spätbronzezeit markiert somit eine Phase des schleichenden Niedergangs für eine der ältesten Städte der Welt.
NEOLITHIKUM
STECKBRIEF
01
Name
Jericho (arabisch: أريحا, hebräisch: יריחו)
02
Alter
ca. 11.000 Jahre (eine der ältesten dauerhaft besiedelten Städte der Welt)
03
Ort
Westjordanland, nahe der Mündung des Jordan in das Tote Meer, etwa 10 km nordwestlich
04
Lage
258 Meter unter dem Meeresspiegel (eine der tiefstgelegenen Städte der Welt)
05
Geografische Koordinaten
31.8703° N, 35.4434° E
06
Geschichtliche Bedeutung
- Früheste Siedlung: Spuren menschlicher Besiedlung ab dem 10. Jahrtausend v. Chr.
- Neolithikum: Um 8300 v. Chr. entstanden erste Stadtmauern und Turmbauten; Ackerbau und Viehzucht verbreiteten sich.
- Frühbronzezeit: (ca. 3300–2000 v. Chr.) Erneuter Aufbau nach längerer Siedlungspause; bedeutende Handelsverbindungen nach Syrien, Anatolien und Ägypten.
- Mittelbronzezeit: (ca. 2000–1550 v. Chr.) Erweiterung und Befestigung der Stadt unter den Hyksos; Zerstörung durch Feuer, möglicherweise in Zusammenhang mit den Feldzügen des ägyptischen Pharaos Ahmose I.
- Spätbronzezeit: (ca. 1550–1150 v. Chr.) Reduzierte Bebauung mit Dorfcharakter, keine Wiedererrichtung der Stadtmauern; endgültiger Niedergang und Aufgabe der Siedlung bis ca. 1150 v. Chr.
07
Kulturelle und religiöse Bedeutung
- Biblische Erwähnungen: Jericho ist bekannt als die „Stadt der Palmen“ und spielt eine zentrale Rolle in der Bibel, insbesondere in der Geschichte der Eroberung durch Josua (Buch Josua, Kapitel 6).
- Archäologische Funde: Bedeutende Entdeckungen umfassen prähistorische Stadtmauern, Grabstätten, Keramik aus verschiedenen Epochen und Hinweise auf Handelsbeziehungen mit Zypern und Ägypten.
08
Besondere Merkmale
- Tell es-Sultan: Der archäologische Hügel von Jericho, der Ruinen und Schichten aus mehreren Jahrtausenden enthält.
- Erhaltungszustand: Zahlreiche Schichten durch Wiederaufbau nach Zerstörungen, was eine reiche archäologische Geschichte offenbart.
09
Klimatische Bedingungen
Wüstenklima, mit heißen, trockenen Sommern und milden Wintern. Aufgrund seiner tiefen Lage in einer Senke sind die Temperaturen das ganze Jahr über hoch
10
Jericho Heute
- Bevölkerung: Etwa 20.000 bis 25.000 Einwohner (je nach Schätzung)
- Wirtschaft: Landwirtschaftlich geprägt, besonders bekannt für Datteln, Zitrusfrüchte und Gemüse.
- Tourismus: Archäologische Stätten und religiöse Bedeutung machen Jericho zu einem beliebten Ziel für Besucher.