Die prähistorische Evolution... ca. 8.200 - 5.500 v.Chr.

Keramisches Neolithikum 

Mit dem keramischen Neolithikum beginnt eine markante Periode, die durch den gezielten Einsatz gebrannter Keramik geprägt ist. Zwar existierten Tonobjekte bereits vereinzelt in früheren Zeiten, doch erst in dieser Epoche (8000–5500 v. Chr.) entwickelten sich Keramiken, die handwerklich und künstlerisch verziert wurden. Diese Phase ist besonders eng mit Çatalhöyük verknüpft, einer der bedeutendsten Siedlungen jener Zeit. Hier lebten die Menschen in Häusern, deren Wände mit Putz versehen und teils mit farbenprächtigen Wandmalereien oder bemalten Reliefs geschmückt waren. Eine faszinierende Tradition war die Bestattung unter den Wohnräumen, die jedoch nie in Vorratsräumen oder auf öffentlichen Plätzen stattfand. Während der vorangegangenen Epochen war dies ebenfalls üblich, doch im keramischen Neolithikum lassen sich Grabbeigaben nur noch bei einzelnen Gräbern finden, was möglicherweise auf die Entstehung lokaler Eliten hinweist.

Keramisches Neolithikum

Siedlungsbeginn im mesopotamischen Schwemmland

Im Laufe des keramischen Neolithikums dehnten sich die menschlichen Siedlungen auch auf das fruchtbare Schwemmland Mesopotamiens aus. Die Umm-Dabaghiyah-Sotto-Kultur (6000–5750 v. Chr.) gilt als älteste Fundgruppe in diesem Gebiet. Die Menschen lebten hier vermutlich in kleinen Familienverbänden in rechteckigen Lehmhäusern mit zwei bis drei Räumen. Über die Bestattungsbräuche ist nur wenig bekannt, jedoch wurden einige Leichen zerstückelt und in speziellen Gebeinhäusern aufbewahrt, während die Skelette von Kindern oft weiterhin unter den Fußböden der Häuser vergraben lagen, manchmal sogar in Tongefäßen. Die Ernährung basierte hauptsächlich auf domestizierten Getreide- und Tierarten, wobei der Anteil an Wildtierknochenfunden nur noch etwa 20 % ausmachte – ein deutlicher Hinweis auf die abnehmende Bedeutung der Jagd.

Die Entwicklung der Hassuna-Kultur (5750–5250 v. Chr.)

Aus der Umm-Dabaghiyah-Sotto-Kultur entwickelte sich schließlich die Hassuna-Kultur, die sich ebenfalls im nördlichen Mesopotamien ausbreitete. Die Menschen dieser Kultur führten viele der Traditionen ihrer Vorfahren fort, entwickelten jedoch eine deutlich anspruchsvollere Keramik. In den späteren Schichten der Hassuna-Kultur lassen sich außerdem Einflüsse der südlich entstandenen Samarra-Kultur (5500–5000 v. Chr.) nachweisen. Die Samarra-Kultur war bekannt für ihre hochentwickelte Keramik und die sorgfältige Architektur ihrer Siedlungen, wie etwa in Tell as-Sawwan. Hier bauten die Menschen rechteckige Häuser aus quaderförmigen Lehmziegeln – ein Baumaterial, das sich im Vorderen Orient bis in die Gegenwart bewährt hat.

Aufstieg der Halaf-Kultur (5500–5000 v. Chr.) und ihre Ausbreitung bis zum Mittelmeer

Nach und nach wurde die Hassuna-Kultur im nördlichen Mesopotamien von der Halaf-Kultur abgelöst. Diese breitete sich sogar bis zur Mittelmeerküste und in das Zāgros-Gebirge aus. Die Menschen der Halaf-Kultur lebten in runden Hütten, die im Durchschnitt bis zu sieben Meter Durchmesser hatten, und betrieben Trockenfeldbau. Die bemalte Keramik dieser Kultur sticht besonders hervor und wurde in speziellen zweikammrigen Öfen gebrannt, was die handwerklichen Fähigkeiten der Halaf-Bevölkerung unterstreicht. Auf ihrer Südausdehnung traf die Halaf-Kultur auf die frühe chalkolithische Obed-Kultur, die schließlich dominierend wurde

Begegnung der Halaf- und Obed-Kultur: Ein Wendepunkt

Die Begegnung der Halaf-Kultur mit der Obed-Kultur markierte einen weiteren Wendepunkt in der Geschichte Mesopotamiens. Die Obed-Kultur, bekannt für ihre eigene innovative Keramik und anspruchsvolle Architektur, setzte sich in den südlichen Regionen durch und leitete so die Übergangsphase zum Chalkolithikum ein.

Der Beginn der Urbanisierung und
die soziale Differenzierung

Die Zeit des keramischen Neolithikums und der frühen mesopotamischen Kulturen bringt nicht nur technologische Fortschritte, sondern auch tiefgreifende soziale Veränderungen mit sich. Mit Siedlungen wie Çatalhöyük und der Entstehung der Umm-Dabaghiyah-Sotto-Kultur sehen wir frühe Anzeichen von sozialer Differenzierung. In Çatalhöyük lassen die Grabbeigaben in bestimmten Gräbern auf den Einfluss lokaler Eliten schließen, die eine besondere Stellung innerhalb der Gemeinschaft eingenommen haben könnten. Der Wandel hin zu größeren, organisierten Siedlungen legt außerdem den Grundstein für die Entwicklung komplexerer Gesellschaftsstrukturen, die in den späteren Kulturen Mesopotamiens immer deutlicher hervortreten.

Modell der Siedlung Catalhöyük, Museum für Ur- und Frühgeschichte in Thüringen (Weimar)

Religiöse und symbolische Ausdrucksformen

Diese Reproduktion zeigt das Wandgemälde in Çatalhöyük, über das Archäologen noch immer streiten. Sie diskutieren darüber, ob das Bild eine Stadtkarte mit einem Vulkan im Hintergrund oder ein Leopardenfell zeigt.

Die Wandmalereien und Reliefs in Çatalhöyük sowie die Bestattungspraktiken in den frühen mesopotamischen Kulturen deuten auf eine stark ausgeprägte Symbolwelt hin. Es wird vermutet, dass die dekorierten Wände der Häuser und die teilweise unter Fußböden liegenden Bestattungen spirituelle oder religiöse Bedeutung hatten. Die Wandmalereien von Çatalhöyük zeigen Jagdszenen und symbolische Muster, die möglicherweise rituellen Zwecken dienten und die kollektiven Überzeugungen der Gemeinschaft widerspiegelten. Der Erhalt dieser Darstellungen bietet uns einen seltenen Einblick in die spirituelle Welt und das Glaubenssystem der Menschen jener Zeit.

Die Verbreitung und der Einfluss früher Kulturen

Die geografische Ausdehnung der Halaf-Kultur bis zur Mittelmeerküste und in das Zāgros-Gebirge zeigt die Mobilität und den kulturellen Austausch der frühen neolithischen Gesellschaften. Solche Ausbreitungen deuten nicht nur auf eine verstärkte Handels- und Kommunikationsaktivität hin, sondern auch auf die Anpassungsfähigkeit dieser Kulturen an verschiedene Umgebungen. Die Halaf-Kultur wird durch ihre kunstvollen Keramiken und charakteristischen runden Häuser definiert, die als Symbol ihrer Identität betrachtet werden können. Mit dem Aufeinandertreffen von Halaf- und Obed-Kultur kam es auch zu kulturellen Verschmelzungen, bei denen Techniken, Ideologien und Lebensweisen ineinander übergingen.

Lage der Halaf- (5500 v. Chr. bis 5000 v. Chr.) und der Hassuna-Samarra-Kultur (5800 v. Chr. bis 5000 v. Chr.)

Die Bedeutung der Landwirtschaft
für das frühe Mesopotamien

Landwirtschaft frühe Mesopotamien Illustration © OpticalArtInc

Die Entwicklung der Landwirtschaft spielt in der neolithischen Epoche eine zentrale Rolle und beeinflusst sowohl die sozialen als auch die wirtschaftlichen Strukturen nachhaltig. In den Siedlungen der Umm-Dabaghiyah-Sotto-Kultur beispielsweise versorgten sich die Menschen überwiegend durch den Anbau von Getreide und die Haltung domestizierter Tiere. Die Jagd, die in früheren Epochen eine dominante Rolle spielte, wurde allmählich durch eine festere Nahrungsgrundlage ersetzt. Mit dieser neuen Lebensweise wurde auch das Vorratshaltungssystem optimiert, was längere Siedlungszeiten ermöglichte und zur Stabilität der Gemeinschaften beitrug. Die gesicherte Nahrungsgrundlage bot nicht nur eine verlässliche Versorgung, sondern legte auch den Grundstein für das Bevölkerungswachstum und die Entstehung komplexerer Gesellschaften.

Der technische Fortschritt in der
Keramikherstellung

Die keramische Innovation der neolithischen Kulturen Mesopotamiens spiegelt ihre handwerkliche Raffinesse wider. Die zweikammrigen Öfen der Halaf-Kultur, die es ermöglichten, aufwendige Muster auf Keramiken zu brennen, markieren einen bedeutenden Schritt in der handwerklichen Entwicklung. Diese Techniken verhalfen der Halaf-Kultur zu einem einzigartigen ästhetischen Stil, der weit über die Grenzen ihrer Siedlungsgebiete hinweg bekannt war. In der Samarra-Kultur und den späteren Kulturen Mesopotamiens entwickelten sich daraus noch feinere Dekorationen und Designs, die schließlich in die religiöse und zeremonielle Praxis integriert wurden und auch als Statussymbole fungierten. Diese Periode in der Frühgeschichte Mesopotamiens und Anatoliens ist somit nicht nur durch ihre technologischen Fortschritte, sondern auch durch tief verwurzelte kulturelle und soziale Entwicklungen gekennzeichnet. Die Bestattungspraktiken, der Wohnbau und die Keramiktechniken sind nur einige der Elemente, die auf eine immer komplexer werdende Welt hindeuten, in der erste Formen von Hierarchie, Glaubenssystemen und kulturellem Austausch ihren Platz fanden.

Der technische Fortschritt in der Keramikherstellung Illustration © OpticalArtInc

Keramisches Neolithikum

STECKBRIEF

01

Name

Keramisches Neolithikum

02

Zeitraum

Ca. 8000 bis 5500 v. Chr.

03

Ort

Vor allem im Nahen Osten, Anatolien, Nord- und Südmesopotamien

04

Hauptmerkmal

  • Erster gezielter und großflächiger Einsatz von gebrannter Keramik für Haushaltsgegenstände und zeremonielle Zwecke.
  • Fortschrittliche Keramiktechniken mit aufwendigen Verzierungen und Mustern, oft gebrannt in zweikammrigen Öfen.

05

Bedeutende Fundorte

  •  Çatalhöyük (Türkei): Bekannt für seine bemalten Wandreliefs und groß angelegte Häuser mit speziellen Bestattungsritualen.
  • Tell as-Sawwan (Irak): Frühes Zentrum der Samarra-Kultur, mit Lehmziegelbauten und fortgeschrittener Keramikproduktion.

06

Kulturen und Entwicklungsstufen

  • Umm-Dabaghiyah-Sotto-Kultur (6000–5750 v. Chr.): Rechteckige Häuser aus gestampftem Lehm; einfache Landwirtschaft und domestizierte Tiere.

  • Hassuna-Kultur (5750–5250 v. Chr.): Weiterentwicklung der Umm-Dabaghiyah-Kultur, mit verfeinerter Keramik und großen Siedlungsstrukturen.

  • Samarra-Kultur(5500–5000 v. Chr.): Aufwändige Architektur mit quaderförmigen Lehmziegeln und sorgfältig dekorierter Keramik.

  • Halaf-Kultur (5500–5000 v. Chr.): Berühmt für ihre bemalte Keramik, rundliche Häuser und Trockenfeldbau; Ausdehnung bis zur Mittelmeerküste.

07

Architektur und Wohnform

  • Rechteckige und runde Wohnhäuser aus Lehm und Lehmziegeln, je nach Kulturtyp. 

  • Dekorierte Innenwände, insbesondere in Çatalhöyük, mit Jagdszenen und symbolischen Darstellungen.

08

Bestattungspraktiken

  • Körper meist unter Wohnräumen bestattet, speziell in Çatalhöyük; Kinder oft in Tongefäßen unter Fußböden vergraben. 

  • Einzelne Gräber mit Grabbeigaben, die möglicherweise auf eine sich entwickelnde soziale Hierarchie hindeuten.

09

Wirtschaft und Ernährung

  • Domestizierter Getreideanbau und Tierhaltung als Hauptnahrungsquelle. 

  • Rückgang der Jagd: Nur noch etwa 20 % der Knochenfunde stammen von Wildtieren.

10

Kultureller Einfluss und Ausbreitung

  • Die Halaf-Kultur verbreitete sich weit bis zur Mittelmeerküste und in den Zagros, wo sie auf die Obed-Kultur traf. 

  • Kultureller Austausch und Anpassung neuer Technologien und Lebensweisen zwischen verschiedenen Kulturgruppen.

11

Religiöse und symbolische Elemente

  • Dekorierte Wände und rituelle Bestattungen lassen auf eine stark ausgeprägte symbolische und religiöse Welt schließen. 

  • Vermutlich rituelle Nutzung der kunstvollen Wandmalereien, die kollektive Mythen und Überzeugungen darstellen könnten.

12

Bedeutung

Das keramische Neolithikum markiert eine zentrale Phase in der Frühgeschichte, in der Keramik, Landwirtschaft und Architektur bedeutende Fortschritte erfuhren und den Weg für spätere Hochkulturen des Nahen Ostens ebneten. Die zunehmende Komplexität der Gesellschaft und die Entwicklung von sozialen Hierarchien legen den Grundstein für die ersten urbanen Zentren der Menschheitsgeschichte.

Keramisches Neolithikum Wichtige Fundorte

ÇATALHÖYÜK
ca. 7.100 – 5.700 v.Chr

TELL AS SAWWAN
ca. 6.300 – 4.800 v.Chr

Keramisches Neolithikum KULTUREN

UMM-DABAGHIYAH SOTTO-KULTUR
ca. 6.000 – 5.800 v.Chr

HASSUNA-KULTUR
ca. 5.800 – 5.260 v.Chr

SAMARRA-KULTUR
ca. 5.500 – 5.000 v.Chr

HALAF-KULTUR
ca. 5.900 – 5.000 v.Chr

Obed-Keramik, 4700–4200 v. Chr.aus Tello, dem antiken Girsu;Louvre, Paris

OBED-KULTUR
ca. 5.000 – 4.000 v.Chr

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