Die prähistorische Evolution... Circa 17.000 bis 12.000 Jahren vor heute
Magdalénien
Das Magdalénien markiert einen neuen Abschnitt im Jungpaläolithikum, der um etwa 17.000 Jahre vor heute beginnt. Diese Kultur hat ihren Namen von dem Fundort La Madeleine im Département Dordogne in Frankreich erhalten. La Madeleine ist kein Höhlenfundplatz, sondern ein Felsüberhang unter einer Kapelle, die der Heiligen Maria Magdalena gewidmet ist. Die archäologische Bekanntheit des Fundplatzes geht auf das Jahr 1863 zurück, als Édouard Lartet und Henry Christy mit Ausgrabungen begannen. Die Bezeichnung „Magdalénien“ als archäologische Stufe wurde schließlich 1869 von Gabriel de Mortillet vorgeschlagen.
Im Magdalénien, einer Zeit vor etwa 17.000 Jahren, gab es bedeutende Neuerungen, die das tägliche Leben der Menschen stark beeinflussten. Eines dieser neuen Werkzeuge war die Speerschleuder, ein kleiner Zusatz zum Speer, mit dem man Speere bis zu 30 Meter weit und präzise schleudern konnte. In der Textilverarbeitung wurden Nadeln mit einem Öhr eingeführt, was die Herstellung von Kleidung erleichterte. Außerdem wurden verschiedene neue Werkzeuge entwickelt, darunter Nasen– und Kielkratzer, Papagaienschnabelstichel, Bohrer, Pfrieme und Ahlen. Während des Magdaléniens erreichte die Fels- und Höhlenmalerei ihren Höhepunkt, bevor sie in den späteren Kulturen allmählich weniger wurde. Eine weitere wichtige Entwicklung war die mögliche frühe Domestizierung von Hunden, was auf ein engeres Zusammenleben und die Nutzung von Tieren zur Jagd oder als Begleiter hinweist.
Leben im Magdalénien
Kulturelle Blüte und Jagdstrategien einer prähistorischen Gesellschaft
Die Erkenntnisse und Funde des gut erforschten Fundplatzes Gönnersdorf bieten einen faszinierenden Einblick in die Lebensweise des späten Magdalénien. Die Bewohner errichteten Zelte mit einem Durchmesser von bis zu acht Metern. Hauptbeute bei der Jagd waren Rentiere und Pferde. Zum Kochen nutzten sie Gruben im Boden, die mit Leder oder Tiermägen abgedichtet wurden. Diese Gruben wurden mit im Feuer erhitzten Steinen gefüllt, um Flüssigkeiten zum Sieden zu bringen. Lampen wurden aus Aushöhlungen in dicken Schieferplatten hergestellt, in die Tierfett und ein Docht gegeben wurden. Hämatit, ein rotes Eisenoxid, wurde zum Färben und wahrscheinlich auch zur Körperbemalung verwendet.
Als Jagdwaffen verwendeten die Menschen Speerschleudern und Harpunen, mit denen sie Weiten von bis zu 140 Metern erreichen konnten. Die Jäger folgten den Wanderungen der Rentier- und Wildpferdherden und versuchten, sie an Engstellen und in sich verengenden Tälern zu stellen. An solchen Stellen wurden teilweise hunderte Skelette der erlegten Tiere gefunden.
Schmuckschnecken aus dem Mittelmeer oder Atlantik belegen, dass es bereits damals einen weitreichenden Handel gab. Das Magdalénien zeigte eine Blütezeit des künstlerischen Ausdrucks, mit Felsmalereien, Felsskulpturen, Ritzzeichnungen, Schmuck, Musikinstrumenten und einer ausgeprägten Freude an Verzierungen. „Praktisch alles wurde verziert – auch Waffen und Werkzeuge; dies gilt besonders für Lochstäbe und Speerschleudern.
Klimatische Veränderungen während des Magdaléniens
Während des Magdalénien, welches in die späte Phase der Würm-Kaltzeit fiel, begann der Eisschild um circa 12.700 v. Chr. im Meiendorf-Interstadial zu schmelzen. Dieser Prozess verlagerte die Verbreitungsgrenze der mitteleuropäischen Park-Tundra allmählich nach Norden, während entlang der Donau und in Südfrankreich die ersten lichten Wälder entstanden. Die zunehmende Bewaldung zwang sowohl die Tierwelt als auch die Jäger dazu, der sich zurückziehenden Tundra gen Norden zu folgen. In Mitteleuropa breiteten sich Hänge-Birken, Nadelbäume und Haselnusssträucher aus, während die Fauna Wildpferde, Rentiere, Hirsche, Rehe, Auerochsen, Wisente, Höhlenlöwen, Braunbären und Wölfe umfasste.
Das Untere Magdalénien war größtenteils von kalten Bedingungen geprägt, wurde jedoch während des Lascaux-Interstadials von einer Erwärmung unterbrochen. Das Mittlere Magdalénien begann ebenfalls kalt, endete jedoch im warm-feuchten Meiendorf-Interstadial mit den ökologischen Konsequenzen, wie dem Verschwinden einiger Kältesteppenfauna, darunter die Saigaantilopen. Im Oberen Magdalénien kehrte während der Ältesten Dryas vorübergehend die Kälte zurück, wich jedoch schließlich dem warmen Bölling-Interstadial. Dies führte zum vollständigen Verschwinden von Mammut und Wollnashorn und zwang die Rentiere zur Flucht nach Norden.
Das archäologische Erscheinungsbild des Magdaléniens
Werkzeuge, Kunst und Lebensweise einer prähistorischen Kultur
Das Magdalénien zeichnet sich durch die Präsenz von Klingenindustrien aus, die bereits erste Anzeichen der Mikrolithisierung zeigen, eine Eigenschaft, die im Mesolithikum charakteristisch wurde. Das dominante Werkzeug unter den Steinartefakten ist der Stichel mit rautenförmigem Querschnitt (französisch: burin dièdre). Auch der seit dem Moustérien vergessene Kratzer (französisch: raclette) taucht wieder auf. Neue Entwicklungen des Magdaléniens sind Mehrfachbohrer mit sternförmigem Querschnitt, echte Mikrolithen (zum Beispiel in Form eines ungleichseitigen Dreiecks), Rückenmesser eines neuen Typs, Vorläufer der Azilien-Spitzen mit kreissegmentförmigem Querschnitt, Papageienschnabelstichel und Spitzen mit verkümmerten Kerben.
Feuersteinspitzen sind kaum noch vorhanden und werden stattdessen durch eine Vielzahl von Speerspitzen aus Knochenmaterial ersetzt, die sich in der Ausgestaltung ihrer Basis unterscheiden: einfach abgefast, doppelt abgefast, konisch, lanzettförmig, manchmal auch mit Rillen versehen oder mit verschiedenen Gravuren verziert. Halbgerundete Stäbchen und durchbohrte Stäbe (oft verziert) sind sehr häufig anzutreffen. Zum ersten Mal treten Angelhaken, Speerschleudern und verschiedene Harpunen auf.
Die einzelnen Stufen des Magdalénien können anhand ihrer charakteristischen Werkzeuge wie folgt charakterisiert werden (von jung nach alt):
Magdalénien VI – Papageienschnabelstichel, Teyjat-Spitzen und beidseitig gezähnte Harpunen.
Magdalénien V – einseitig gezähnte Harpunen.
Magdalénien IV – Spitzen aus Rentierknochen mit seitlichen Kerben (Vorläufer von Harpunen), kleine, teils verzierte Knochenrondelle.
Magdalénien III – Speerschleudern, durchbohrte Stäbe, Speerspitzen, halbgerundete Stäbchen.
Magdalénien II – Mikrolithen.
Magdalénien I – sternförmige kleine Bohrer.
Werkzeuge...
Die Steingeräte des Magdalénien wurden hauptsächlich aus Klingen hergestellt, wobei Rückenmesser, auch Kerbspitzen genannt, charakteristisch sind. Kurze Kratzer, Klingenkratzer, Stichel, Zinken und Feinbohrer sowie ausgesplitterte Stücke wurden vor allem zur Bearbeitung von Knochen, Geweih und Elfenbein verwendet. Bei seinen Ausgrabungen in Poggenwisch und Meiendorf entdeckte Alfred Rust sogenannte „Riemenschneider„. Dabei handelt es sich um Rengeweihstücke mit einem durchgehenden Schlitz, in den Kerbspitzen oder Klingen eingesetzt wurden.
Es wird vermutet, dass mit der Spitze der Einsätze Leder geschnitten wurde, was die von Rust gewählte Bezeichnung erklärt. Bei den Ausgrabungen wurden auch Harpunen aus Rengeweih gefunden.
Während Rust annimmt, dass die Kerbspitzen in Wangenschäften befestigt wurden, führt Lund überzeugende Argumente für Schäftungen bestimmter Kerbspitzen in seitlichen Nuten an. Dadurch werden auch die gelegentlich auftretenden Hohlkerben im Vergleich zur Kerbe erklärt.
Mobile Kleinkunst im Magdalénien
Das Magdalénien ist bekannt für seine bedeutenden Höhlenmalereien, darunter die in der Höhle von Altamira, das Basrelief in Angles-sur-l’Anglin, Creswell Crags an den Ufern des Trent, sowie die jüngeren freistehenden Petroglyphen im Côa-Tal (Portugal). Darüber hinaus wurden verzierte bewegliche Objekte entdeckt, die als jungpaläolithische Kleinkunst bekannt sind, wie zum Beispiel in Laugerie-Haute. Die berühmten Höhlenmalereien von Lascaux, die früher dem Beginn des Magdaléniens zugeschrieben wurden, werden mittlerweile von einigen Forschern eher dem Solutréen oder einer älteren Periode zugeordnet.
Im Magdalénien zeigte sich eine bemerkenswerte Entwicklung in der mobilen Kleinkunst, insbesondere bei den Venusfiguren. Diese Figuren nahmen im Vergleich zu früheren Zeiten zunehmend abstraktere Formen an. Frühere Venusfiguren waren oft detailliert und porträthaft aus Elfenbein oder anderen Materialien geschnitzt. Im späteren Magdalénien wurden stilisierte Venusfigurinen aus Materialien wie Gagat oder Knochen hergestellt, die nach dem Fundplatz Gönnersdorf benannt sind („Typ Gönnersdorf“). Ähnliche Figuren wurden auch am Petersfels bei Engen oder in Monruz bei Neuchâtel entdeckt. Zu diesem Stil gehören die gravierten Venusfiguren von Gönnersdorf und Andernach im Rheinland.
Zeltstrukturen im Magdalénien
Im Magdalénien wurden vermehrt Befunde von temporären Behausungen entdeckt. Ein aufregender Fund wurde in Pincevent gemacht, wo Steinkreise mit einer Öffnung gefunden wurden. Vor dieser Öffnung lagen zahlreiche Knochen und Abschläge, während sich im Steinkreis selbst keine fanden. Kohlereste deuteten auf eine Feuerstelle vor der Öffnung hin.
Es wird vermutet, dass es sich um ein Zelt handelte, dessen Bewohner ihre Abfälle stets vor die Tür warfen. Eine zeichnerische Rekonstruktion dieses Fundes ist in Wikimedia Commons zu finden. Auch in Deutschland wurden einige Fundplätze entdeckt, an denen Freilandstationen aus dem Magdalénien stammen. In Nebra, Andernach und Gönnersdorf wurden Überreste von ehemaligen Unterkünften gefunden. Große Feuerstellen und Steinplatten in der Umgebung zeugen von den Grundrissen der einstigen Behausungen.
JUNGPALÄOLITHIKUM
STECKBRIEF
01
Name
Magdalénien
02
Alter
Circa 17.000 bis 12.000 Jahren vor heute
03
Beschreibung
Das Magdalénien ist eine archäologische Kultur des späten Jungpaläolithikums, die hauptsächlich mit Europa verbunden ist, insbesondere mit Frankreich, Spanien und Teilen Mitteleuropas. Diese Kultur ist nach der Fundstätte La Madeleine in Frankreich benannt, wo einige der charakteristischen Artefakte entdeckt wurden.
04
Werkzeuge und Technologien
Das Magdalénien ist bekannt für seine hochentwickelten Steinwerkzeuge, darunter fein gearbeitete Klingen, Kratzer, Bohrer und Spitzen aus Feuerstein und anderen Materialien wie Knochen und Geweihen. Die Herstellungstechniken des Magdalénien umfassten die Weiterentwicklung der Levallois-Technik sowie die Verwendung von Drucktechniken.
05
Jagd und Sammeln
Die Menschen des Magdalénien waren erfahrene Jäger und Sammler und spezialisierten sich auf die Jagd auf eine Vielzahl von Wildtieren, darunter Rentiere, Wildpferde, Mammuts und Höhlenbären. Sie sammelten auch verschiedene Pflanzen und Früchte, um ihren Nahrungsbedarf zu decken.
06
Unterkünfte
Zelte aus Tierhäuten, etwa 8 Meter Durchmesser, als temporäre Wohnstätten genutzt. Schutz vor den Elementen während der Jagd und Ressourcensuche. Archäologische Hinweise von Fundplätzen wie Gönnersdorf.
07
Kunst und Symbolismus
Das Magdalénien ist für seine reiche Kunsttradition bekannt, die sich in Höhlenmalereien, Gravuren, Skulpturen und anderen Artefakten manifestiert. Bekannte Beispiele sind die Höhlenmalereien in den Höhlen von Altamira und Lascaux, die lebendige Darstellungen von Tieren und geometrischen Mustern zeigen.
07
Kultureller Austausch:
Das Magdalénien war eine Zeit des kulturellen Austauschs und der Interaktion zwischen verschiedenen Gruppen von Jägern und Sammlern in Europa. Es wird angenommen, dass während dieser Zeit verschiedene kulturelle Einflüsse verbreitet wurden und zu einer Vielfalt von lokalen Traditionen führten.