Eine prägende Epoche der Jungsteinzeit ca. 5000 – 4.300v.Chr.
Mittelneolithikum
Das Mittelneolithikum bezeichnet den mittleren Abschnitt des Neolithikums, einer bedeutenden Phase der Jungsteinzeit in Mitteleuropa. Diese Epoche variiert regional in ihrer zeitlichen Einordnung, was auf unterschiedliche Forschungstraditionen und Ansätze zurückzuführen ist. In Deutschland ist die Begriffsverwendung bis heute uneinheitlich. Besonders in Mitteldeutschland, also den Regionen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, zeigt sich eine wechselvolle Entwicklung der wissenschaftlichen Gliederung des Neolithikums. Bereits 1951 führte der Archäologe Ulrich Fischer eine Dreiteilung in Früh-, Hoch- und Spätneolithikum ein. Einige Jahre später sprach sich Hermann Behrens für eine alternative Dreigliederung aus: Früh-, Mittel- und Spätneolithikum. Diese Klassifikation ordnete die Jordansmühler und Gaterslebener Kulturen an die Schwelle vom Früh- zum Mittelneolithikum, während alle nachfolgenden Kulturen in das Mittelneolithikum fielen. Später schlugen Forschende eine Vierfachgliederung vor, die das Jungneolithikum als eigenständige Phase ergänzte, um Parallelen zu den südwestdeutschen Kulturen herzustellen. Die Kalibrierung von Radiokohlenstoffdaten offenbarte jedoch, dass die Phase des Jungneolithikums chronologisch deutlich länger andauerte als die übrigen Abschnitte. Dies führte Jens Lüning schließlich dazu, eine Fünffachgliederung des Neolithikums vorzuschlagen.
Mittelneolithikum-Eine prägende Epoche der Jungsteinzeit
Ein Meilenstein der Chronologie
Die fünf Abschnitte der Jungsteinzeit nach Lüning
Jens Lünings Modell zur Unterteilung der Jungsteinzeit wird heute in Süd- und Westdeutschland häufig herangezogen. Es teilt das Neolithikum in folgende Abschnitte:
1. Frühneolithikum, 2. Mittelneolithikum, 3. Jungneolithikum, 4. Spätneolithikum,
5. Endneolithikum
Das Mittelneolithikum wird in diesem Schema auf die Zeitspanne zwischen 5000 und 4500/4300 v. Chr. datiert und markiert eine Phase wichtiger kultureller Entwicklungen.
In Mitteldeutschland wurden Kulturen wie die Jordansmühler und Gaterslebener an die Schwelle zum Mittelneolithikum gestellt. Später schlug die Forschung auch hier die Übernahme der Fünffachgliederung vor, um eine einheitlichere Chronologie zu schaffen. In Ungarn hingegen begann das Mittelneolithikum mit dem Übergang von der Körös-Kultur und umfasst die bedeutenden Vinca- und Bükk-Kulturen. Diese Kulturen zeichnen sich durch innovative Keramikstile und soziale Entwicklungen aus, die die Grundlage für spätere Epochen schufen. Das Mittelneolithikum bleibt eine der faszinierendsten Phasen der Jungsteinzeit, da es regionale Eigenheiten und überregionale kulturelle Entwicklungen vereint. Jede Region hat ihren eigenen Beitrag zur Geschichte dieser Epoche geleistet, die bis heute Gegenstand intensiver archäologischer Forschung ist.
Archäologische Kulturen des Mittelneolithikums nach Lüning
Ein Meilenstein der Chronologie
Stichbandkeramik
Die Stichbandkeramik ist eine prägende Kultur des Mittelneolithikums, die sich durch ihre verzierte Keramik auszeichnet. Die Muster, meist aus punktförmigen Eindrücken bestehend, dienten nicht nur der Dekoration, sondern könnten auch symbolische Bedeutungen gehabt haben.
Rössener Kultur
Die Rössener Kultur (ca. 4600–4300 v. Chr.) ist bekannt für ihre reich verzierte Keramik und den Bau erster großer Langhäuser. Diese Kultur war insbesondere in Mitteldeutschland, Hessen und Teilen Süddeutschlands verbreitet.
Hinkelstein-Kultur
Diese frühe Kultur des Mittelneolithikums stellt einen Übergang zwischen den älteren Linienbandkeramik-Traditionen und späteren regionalen Kulturen dar. Ihre Keramik zeigt eine Kombination aus alten und neuen Elementen.
Großgartacher und Bischheimer Kultur
In Südwestdeutschland sind die Großgartacher und Bischheimer Kulturen bedeutsam. Sie stehen für eine differenzierte Nutzung von Ressourcen und die Entwicklung neuer Siedlungsstrategien.
Oberlauterbacher Gruppe
Die Oberlauterbacher Gruppe, die in Bayern verbreitet war, gehörte ebenfalls ins Mittelneolithikum. Der Begriff Südostbayerisches Mittelneolithikum ist inzwischen wissenschaftlich überholt, wurde jedoch lange als Sammelbegriff für verschiedene regionale Phänomene verwendet.
Lengyel-Kultur
Diese Kultur, die vor allem in Mitteleuropa und Ungarn verbreitet war, ist für ihre polychrome Keramik und reiche Bestattungssitten bekannt. Sie war eine der fortschrittlichsten Kulturen ihrer Zeit.
Theiß-Kultur
Die Theiß-Kultur (ca. 5000–4500 v. Chr.) entwickelte sich in der heutigen Pannonischen Tiefebene und zeigt enge Verbindungen zur Lengyel-Kultur. Sie ist bekannt für ihre reich verzierten Tonfiguren und komplexen Siedlungsstrukturen.
Ertebølle-Kultur
Zeitgleich mit dem Mittelneolithikum Süddeutschlands existierte in Norddeutschland die Ertebølle-Kultur, die jedoch als spätes Mesolithikum eingeordnet wird. Sie stellt einen Übergang zwischen den mesolithischen Jäger- und Sammlergesellschaften und den neolithischen Bauern dar.
Kreisgrabenanlagen - Rätselhafte Monumente der Jungsteinzeit
Meisterwerke des Mittelneolithikums – Kultstätten, Himmelsobservatorien oder soziale Treffpunkte?
Kreisgrabenanlagen sind eine besondere Form von Erdwerken, die als charakteristisches Phänomen des Mittelneolithikums in Mitteleuropa gelten. Diese beeindruckenden Bauwerke bestehen meist aus einer Kombination mehrerer konzentrischer Wälle und Gräben und sind sowohl zeitlich als auch geografisch klar abgrenzbar. Sie treten vor allem in Regionen wie Deutschland, Österreich, Tschechien, Mähren und der Slowakei auf. Die frühesten Kreisgrabenanlagen lassen sich auf die Lengyel-Kultur zurückführen, die in Ungarn und der Slowakei beheimatet war. Von dort aus verbreitete sich die Bauweise nach Mitteleuropa und wurde zu einem markanten Element der neolithischen Landschaft. Diese Bauwerke zeugen von einem kulturellen Austausch und einer hohen Organisationsfähigkeit der damaligen Gesellschaften.
Funktion und Bedeutung
Die genaue Funktion der Kreisgrabenanlagen bleibt ein Rätsel, doch es gibt mehrere Theorien:
- Kultische Nutzung: Viele Forschende vermuten, dass diese Anlagen als religiöse oder kultische Stätten dienten, an denen Rituale oder Zeremonien abgehalten wurden.
- Astronomische Ausrichtung: Einige Kreisgrabenanlagen scheinen eine Ausrichtung auf bestimmte Himmelsereignisse, wie Sonnenauf- und -untergänge, zu haben, was ihre Nutzung als prähistorische Kalender oder Observatorien nahelegt.
- Versammlungsorte: Die Größe und zentrale Lage vieler Anlagen könnten darauf hinweisen, dass sie als Treffpunkte für größere Gemeinschaften dienten.
Die Konstruktion einer Kreisgrabenanlage war ein aufwändiges Unterfangen. Typischerweise bestanden sie aus mehreren konzentrischen Gräben, die durch Erd- oder Palisadenwälle ergänzt wurden. Manche Anlagen weisen Eingänge auf, die oft mit der Himmelsrichtung korrespondieren, was auf eine geplante und symbolische Bauweise hinweist. Kreisgrabenanlagen sind ein Zeugnis für die soziale und technische Entwicklung der neolithischen Gesellschaften. Sie demonstrieren die Fähigkeit, Arbeitskräfte zu mobilisieren und großflächige Bauprojekte zu koordinieren. Zudem verdeutlichen sie, wie eng der Alltag der Menschen mit religiösen und astronomischen Vorstellungen verbunden war. Als Relikte des Mittelneolithikums bieten Kreisgrabenanlagen einzigartige Einblicke in die kulturellen und gesellschaftlichen Strukturen dieser Zeit und bleiben ein faszinierender Forschungsgegenstand der Archäologie.
Siedlungen und Gräber im Mittelneolithikum
Wandel und Kontinuität
Das Mittelneolithikum ist durch eine Mischung aus Tradition und Innovation geprägt, die sich in Siedlungsformen, Grabsitten und Keramikstilen widerspiegelt. Während einige Elemente auf die bandkeramische Tradition zurückgehen, zeigt sich eine zunehmende regionale Differenzierung, die die kulturelle Vielfalt dieser Epoche unterstreicht. In der Rössener Kultur, einer der bedeutendsten Kulturen des Mittelneolithikums, waren die Siedlungen durch charakteristische Langhäuser geprägt. Diese Bauten, oft leicht gewölbt und als „schiffsförmig“ beschrieben, hatten teilweise auch trapezförmige Grundrisse. Sie waren aus Holz konstruiert und dienten sowohl als Wohn- als auch als Wirtschaftsgebäude. Ihre Größe und Form deuten auf eine enge Gemeinschaftsstruktur hin. Im Übergang vom Mittel- zum Jungneolithikum vollzog sich ein Wandel in der Bauweise. Die großen Langhäuser wurden durch kleinere, rechteckige Häuser ersetzt. Diese veränderten Siedlungsformen deuten auf eine Neuausrichtung in der sozialen Organisation hin, möglicherweise mit stärker individualisierten Haushalten.
Die Grabsitten des Mittelneolithikums zeugen von einer engen Verbindung zur bandkeramischen Tradition, zeigen aber auch neue regionale Eigenheiten. Große Gräberfelder mit Körperbestattungen waren typisch, insbesondere in der Rössener Kultur. Die Toten wurden in Hockerstellung beigesetzt, oft begleitet von Keramikgefäßen, Werkzeugen und anderen Beigaben. Im späteren Neolithikum, etwa zur Zeit der Michelsberger Kultur, wird die archäologische Spur der Grabsitten weniger greifbar. Die Bestattungen hinterlassen seltener deutliche Spuren, was auf eine Änderung im Umgang mit den Toten hindeuten könnte, etwa durch neue Riten wie Verbrennungen oder weniger markante Grabstätten.
Die Keramik des Mittelneolithikums
Keramik - Von der Verzierung zur Schlichtheit
Die Keramik des Mittelneolithikums war in vielerlei Hinsicht noch stark von der Linienbandkeramik geprägt. Jedoch entwickelte sich eine regionale Vielfalt in Form und Dekor. Besonders in der Rössener Kultur waren reich verzierte Gefäße weit verbreitet, die mit Rillen, Mustern und eingedrückten Motiven verziert waren. Mit dem Übergang zum Jungneolithikum wurde die Keramik zunehmend schlichter. Flachbodige, kaum verzierte Töpfe dominierten das Alltagsgeschirr, was möglicherweise mit veränderten funktionalen oder symbolischen Ansprüchen zusammenhing.
“ Das Mittelneolithikum steht an der Schwelle zwischen Tradition und Innovation. Die Siedlungs- und Bestattungskultur zeigt sowohl eine Kontinuität zur Frühzeit als auch markante Veränderungen, die den Übergang zu neuen Lebensweisen einleiten. Diese Dynamik macht das Mittelneolithikum zu einer Schlüsselperiode für das Verständnis der kulturellen Entwicklung in Mitteleuropa. „
Mittelneolithikum
STECKBRIEF
01
Name
Mittelneolithikum in Mitteleuropa
02
Alter
Ca. 5000–4500/4300 v. Chr. (je nach Region unterschiedlich)
03
Regionale Verbreitung
- Mitteleuropa: Deutschland, Österreich, Tschechien, Mähren, Slowakei
- Ungarn (frühe Lengyel-Kultur und Theiß-Kultur)
04
Kulturelle Hauptmerkmale
- Übergang von der frühen Linienbandkeramik zu stärker regional differenzierten Kulturen
- Ausbau von Erdwerken und ersten Kreisgrabenanlagen
- Entwicklung regionaler Siedlungs- und Bestattungsformen
05
Wichtige Kulturen
- Stichbandkeramik
- Rössener Kultur
- Hinkelstein-Kultur
- Großgartacher und Bischheimer Kultur (Südwestdeutschland)
- Oberlauterbacher Gruppe (Bayern)
- Lengyel-Kultur (Ungarn und Mitteleuropa)
- Theiß-Kultur
- Ertebølle-Kultur (zeitgleich im Norden, als spätes Mesolithikum klassifiziert)
06
Siedlungsweise
- Langhäuser, oft schiffsförmig oder trapezförmig (z. B. in der Rössener Kultur)
- Erste kleinere, rechteckige Häuser am Übergang zum Jungneolithikum
07
Grabsitten
- Körperbestattungen in Hockerstellung mit Beigaben wie Keramikgefäßen und Werkzeugen
- Große Gräberfelder, insbesondere in der Rössener Kultur
- Später im Mittelneolithikum unauffälligere oder schwer zu lokalisierende Gräber
08
Keramik
- Zunächst reich verzierte Gefäße, geprägt von bandkeramischer Tradition
- Übergang zu schlichterer, flachbodiger Keramik im späten Mittelneolithikum
09
Wichtige Bauwerke
- Kreisgrabenanlagen: konzentrische Wall-Graben-Kombinationen mit kultischer, astronomischer oder sozialer Funktion
- Erdwerke, später fortgeführt in der Michelsberger Kultur
10
Besonderheiten
- Hohe kulturelle Vielfalt und regionale Differenzierung
- Erste groß angelegte Gemeinschaftsprojekte (Kreisgrabenanlagen)
- Veränderung der Siedlungs- und Lebensweisen im Übergang zum Jungneolithikum
Das Mittelneolithikum ist eine Übergangsphase, die von bedeutenden sozialen und kulturellen Entwicklungen geprägt ist und den Grundstein für die spätere neolithische Gesellschaft in Mitteleuropa legt.
Mittelneolithikum KULTUREN
STICHBANDKERAMIK
ca. 4.900 – 4.500 v.Chr
RÖSSNER-KULTUR
ca. 4.790 – 4.550 v.Chr
THEIß-KULTUR
ca. 4.200 – 3.200 v.Chr