Das Erbe der Urzeit: zwischen ca. 120.000 – 40.000 v.Chr

Moustérien

"Im Mittelpaläolithikum offenbart sich ein faszinierendes Panorama von archäologischen Werkzeugkulturen, die das Antlitz unserer Vergangenheit prägten und uns bis heute in ihren Bann ziehen."

Zwei dieser Kulturen erheben sich als Monumente menschlicher Innovation und Anpassungsfähigkeit, während sie sich über die Zeiten und Regionen hinweg erstrecken. Die erste dieser prägenden Kulturen ist das Moustérien, benannt nach der ehrwürdigen Fundstelle Le Moustier in der malerischen Dordogne, die seit 1872 die Neugierde von Forschern und Enthusiasten gleichermaßen weckt. Chronologisch verwebt sich das Moustérien nahtlos mit dem Mittelpaläolithikum, umfassend datiert zwischen 300.000 und etwa 30.000 Jahren vor heute. Doch wie ein lebendiges Wesen hat sich das Moustérien im Laufe der Zeit gewandelt, seine Facetten spiegeln sich in verschiedenen Abschnitten wider, wie dem späten Moustérien, das seine Wurzeln tief im Acheuléen verankert hat.

Die charakteristischen Merkmale des Moustériens sind kantengeretuschte Werkzeuge, darunter Schaber und Spitzen, die das tägliche Leben und die Überlebenskunst seiner Schöpfer widerspiegeln. Ein weiteres Markenzeichen ist die Levalloistechnik, eine raffinierte Methode zur Herstellung von Artefakten, die durch gezielte Präparationsabschläge einen Kern in ein vielseitiges Werkzeug verwandelt.

Moustérien Kern und Abschlag in Levalloistechnik aus der Haute Saône

Doch das Moustérien überrascht uns nicht nur mit seiner technologischen Raffinesse, sondern auch mit dem Einsatz von Kompositgeräten, die aus verschiedenen „Bauteilen“ zusammengesetzt sind. Diese Artefakte sind nicht nur Zeugnisse menschlicher Kognition und Planungsfähigkeit, sondern auch Fenster in die Vergangenheit, die uns Einblicke in die komplexen Denkweisen unserer Vorfahren gewähren.

Von den fernen Küsten Südafrikas bis zu den weiten Ebenen Europas erzählen die Fundstätten wie Kathu Pan 1, Inden-Altdorf, Königsaue und Campitello von der meisterhaften Hand der Neandertaler, die Birkenpech und andere Ressourcen nutzten, um die Grenzen des Möglichen zu überschreiten und die Welt um sie herum zu gestalten.

Kathu Pan [Kathu Pan 1 - Rekonstruktion der Speere. Bild: Jayne Wilkins

VERBREITUNG

Die Ausbreitung des Moustériens, einer markanten Phase menschlicher kultureller Entwicklung während des Mittelpaläolithikums, erstreckte sich über ein breites geografisches Gebiet, obwohl seine genaue Verbreitung noch nicht in allen Regionen ausreichend erforscht wurde. In Europa finden sich gesicherte Spuren des Moustériens von Wales bis Griechenland und von Portugal bis Russland, wobei die Mittelmeerinseln eine bemerkenswerte Ausnahme darstellen. Im Norden reichte das Verbreitungsgebiet bis an die eiszeitlichen Grenzen Skandinaviens, während es im Süden bis an die Küsten des Mittelmeers zu reichen scheint, obwohl die Beziehung zwischen dem europäischen Moustérien und dem nordafrikanischen Atérien noch weiterer Untersuchungen bedarf.

Die Ausbreitung des Moustériens erstreckte sich auch in östliche Richtung über die russischen Ebenen und den Ural hinaus nach Zentral- und Ostasien. In der Mongolei finden sich vergleichbare Industrien, die dem Moustérien ähneln.

Eingang der Skhul-Höhle

Jüngste Entdeckungen von Knochenresten in der Okladnikov-Höhle im Altai-Gebirge, die mittels genetischer Analyse der mitochondrialen DNA Neandertalern zugeschrieben wurden, geben weitere Einblicke in diese kulturelle Phase. Im Nahen Osten wurden zwischen 130.000 und 80.000 Jahren vor heute Steinwerkzeuge des Moustériens von Vertretern der Homo sapiens geschaffen, die früher auch als „Proto-Cro-Magnons“ bezeichnet wurden. Funde in der Qafzeh-Höhle und der Skhul-Höhle belegen diese Präsenz. Später wurden ähnliche Werkzeuge auch von Neandertalern hergestellt, die zwischen 70.000 und 50.000 Jahren vor heute aus Westeuropa in die Region eingewandert waren, wie Funde von Kébara, Tabun und Amud zeigen.

Mittelpaläolithikum

STECKBRIEF

01

Name

Moustérien

02

Alter

ca. 120.000 – 40.000 v.Chr

03

Namensgebung

Der Begriff „Moustérien“ leitet sich von der Fundstelle Le Moustier in der Dordogne, Frankreich, ab, wo wichtige Artefakte dieser Kultur entdeckt wurden. Die Bezeichnung wurde erstmals 1872 von Gabriel de Mortillet in die archäologische Literatur eingeführt.

04

Geografische Verbreitung

Verschiedene Regionen Europas, des Nahen Ostens und Afrika.

05

Werkzeugtechnologie

Das Moustérien zeichnet sich durch eine Vielzahl von Steinwerkzeugen aus, darunter Schaber, Spitzen, Klingen und Faustkeile.

06

Levalloistechnik

Eine herausragende Technik im Moustérien ist die Levalloistechnik, bei der durch gezielte Abschläge von einem Kern ein spezifisches Werkzeug hergestellt wird.

07

Kompositgeräte

Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal sind die Kompositgeräte, bei denen verschiedene Elemente zu einem Werkzeug kombiniert wurden, was auf ein hohes Maß an Planung und kognitiver Fähigkeit der Hersteller hinweist.

08

Technologische Entwicklung

Das Moustérien durchlief im Laufe seiner Existenz verschiedene Entwicklungsstadien und Varianten, die sich in unterschiedlichen Regionen und Zeiträumen manifestierten. Diese Entwicklung spiegelt sich in den archäologischen Befunden wider und zeigt die Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft der Menschen des Mittelpaläolithikums.

MITTELPALÄOLITHIKUM KULTUREN/ INDUSTRIEN

MOUST’ERIEN
ca. 120.000 – 40.000 v.Chr

MICOQUIEN
ca. 60.000 – 40.000 v.Chr

Gattungen im MittelPALÄOLITHIKUM

Homo Neanderthalensis 
ca. 400.000 – 30.000  Jahre

Archaischer Homo Sapiens
ca. 200.000 – 100.000 Jahre

Homo
Sapiens
ca. 195.000 Jahre bis heute

 

Denisova
Mensch
ca. 160.000 – 52.000
Jahre

Homo
Floresiensis
ca. 100.000 -17.000 Jahre

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