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OUT OF AFRICA
Out of Africa I und Out of Africa II – Die Evolution des modernen Menschen im Spiegel aktueller Forschung
Die Geschichte des modernen Menschen ist untrennbar mit Afrika als Wiege der Menschheit verbunden. Unter dem Begriff „Out of Africa“ fasst die Wissenschaft heute mehrere große Auswanderungswellen zusammen, durch die sich frühe Homininen und später Homo sapiens über den gesamten Globus verbreiteten.
Die Modelle Out of Africa I und Out of Africa II bilden dabei die wichtigsten Meilensteine der menschlichen Evolution. Moderne genetische Analysen, neue archäologische Fundstellen und ein besseres Verständnis früherer Klimadynamiken haben in den letzten Jahren (bis 2025) unser Bild dieser Wanderungen erheblich geschärft. Stellen Sie sich unsere menschliche Evolution nicht als einen geraden Stammbaum vor, sondern eher als einen verzweigten Busch, von dem viele Äste abgestorben sind. Die „Out of Africa“-Theorien erklären, welche dieser Äste sich wann und wie über die Welt verbreitet haben.
Zunächst ist die wichtigste Unterscheidung:
- „Out of Africa 1“ beschreibt die erste Auswanderung von frühen Vorfahren des Menschen (Gattung Homo).
- „Out of Africa 2“ beschreibt die Auswanderung des anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens), also unserer direkten Vorfahren.
OUT OF AFRICA I
Out of Africa
Die erste große Welle
Diese Theorie handelt von der ersten Ausbreitung des Menschen aus Afrika in die restliche Alte Welt (Eurasien).
- Der Protagonist: Homo erectus(„der aufrechte Mensch“)
- Vor etwa 2 Millionen Jahren entwickelte sich in Afrika aus früheren Homininen (wie Homo habilis) die Art Homo erectus.
- Sie waren die ersten unserer Vorfahren, die eine Körperform hatten, die fast der unseren glich: groß, mit langen Beinen und kurzen Armen, perfekt für das Laufen über weite Strecken.
- Ein entscheidender Entwicklungssprung war die Beherrschung des Feuers und die Herstellung von ausgefeilteren Steinwerkzeugen (Acheuléen-Kultur mit beidseitig bearbeiteten Faustkeilen).
Die Auswanderung: Warum und wohin?
- Klima und Umwelt: Klimaveränderungen führten dazu, dass sich Savannen ausdehnten und Wälder zurückgingen. Diese offenen Landschaften begünstigten eine Lebensweise als Jäger und Sammler, die weite Strecken zurücklegen mussten.
- Angepasste Lebensweise: Mit ihren verbesserten Werkzeugen und wahrscheinlich der Fähigkeit, Fleisch zu jagen und zuzubereiten, konnten sie neue, oft kältere Lebensräume erschließen.
- Route und Zeitpunkt: Vor etwa 1,8 bis 2 Millionen Jahren breiteten sich Gruppen von Homo erectus allmählich über den Nahen Osten nach Asien (bis nach China und Java) und nach Europa aus. Dort entwickelten sie sich regional weiter.
Das Ergebnis: Die „Regionale Kontinuitäts-Theorie“
Dies ist ein wichtiger Punkt, um „Out of Africa 2“ zu verstehen. Nach „Out of Africa 1“ war die Alte Welt nicht leer, sondern wurde von Nachfahren des
Homo erectus besiedelt, die sich über Hunderttausende von Jahren zu regionalen Arten weiterentwickelten:
- In Europa und Westasien: Homo heidelbergensis und später der Neandertaler (Homo neanderthalensis).
- In Asien: Der Denisova-Mensch (eine erst kürzlich entdeckte Schwesterart der Neandertaler).
- In Afrika: Aus dem dort verbliebenen Homo heidelbergensis entwickelte sich schließlich der Homo sapiens.
OUT OF AFRICA II
Out of Africa
Die zweite große Welle und der Siegeszug des Homo sapiens
Dies ist die heute vorherrschende Theorie zur Entstehung des modernen Menschen und wird oft einfach als „Out of Africa“-Theorie bezeichnet (auch „Replacement Model“ oder „Recent African Origin Model“).
- Der Protagonist: Homo sapiens(„der weise Mensch“)
- Der anatomisch moderne Mensch entwickelte sich ausschließlich in Afrika, und zwar vor etwa 300.000 bis 200.000 Jahren. Die ältesten Fossilien wurden in Marokko (Jebel Irhoud) und Äthiopien (Omo Kibish) gefunden.
- Er hatte eine höhere Stirn, ein flacheres Gesicht, ein ausgeprägtes Kinn und ein leichteres Skelett als der Neandertaler.
Die Auswanderung: Der entscheidende Schritt
- Vor etwa 70.000 bis 60.000 Jahren (möglicherweise auch in einer früheren Welle vor 120.000 Jahren, die aber zunächst erfolglos blieb) verließ eine kleine Gruppe von Homo sapiens Afrika.
- Warum gerade dann? Ein Schlüsselfaktor war vermutlich die Entwicklung einer komplexeren Sprache, Kultur und Symbolik. Dies zeigt sich in plötzlich auftauchenden Höhlenmalereien, aufwändigem Schmuck und fortschrittlichen Werkzeugen. Diese kognitiven Fähigkeiten gaben ihnen einen entscheidenden Vorteil.
Die Begegnung mit den „Alteingesessenen“
Die aus Afrika auswandernden Homo sapiens trafen auf die Nachfahren der ersten Auswanderungswelle:
- In Europa und Westasien auf die Neandertaler.
- In Asien auf die Denisova-Menschen.
Laut der „reinen“ Out of Africa 2-Theorie ersetzten die Homo sapiens diese anderen Menschenarten relativ schnell.
Das moderne Verständnis: Vermischung statt vollständiger Verdrängung
Der heutige Forschungsstand hat die strenge „Replacement“-These modifiziert. Durch die Analyse uralter DNA (aus Neandertaler- und Denisova-Knochen) wissen wir heute:
- Es gab Vermischungen (Introgression). Moderne Nicht-Afrikaner tragen heute noch etwa 1-2% Neandertaler-DNA in sich. Menschen in Ozeanien und Teilen Asiens tragen zudem 4-6% Denisova-DNA.
- Diese Vermischung war nicht nur ein kurzes Ereignis, sondern fand mehrmals und an verschiedenen Orten statt.
- Diese fremden Gene waren nicht nur neutral; einige waren vorteilhaft (z.B. Gene, die das Immunsystem stärkten und bei der Anpassung an kälteres Klima halfen), andere nachteilig (z.B. ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krankheiten).
Die Homo sapiens verdrängten die anderen Menschenarten also nicht komplett, ohne eine Spur zu hinterlassen, sondern assimilierten sie genetisch zu einem kleinen Teil. Dennoch war der Anteil der eingewanderten Homo sapiens-Population so dominant, dass sie die anderen Arten in relativ kurzer Zeit (evolutionär gesehen) absorbierte und verdrängte.
Zusammenfassung im direkten Vergleich
Merkmal | Out of Africa 1 | Out of Africa 2 |
Wer wanderte aus? | Homo erectus (frühe Menschenart) | Homo sapiens (anatomisch moderner Mensch) |
Wann? | Vor ~1,8 – 2 Mio. Jahren | Vor ~70.000 – 60.000 Jahren (Hauptwelle) |
Ursprung | Afrika | Afrika |
Ziel | Besiedlung Eurasiens | Besiedlung der gesamten Welt (inkl. Amerika, Ozeanien) |
Folge | Entstehung regionaler Arten wie Neandertaler und Denisova | Fast vollständige Verdrängung dieser Arten, mit geringer genetischer Vermischung |
Aktuelle Bedeutung | Erklärt die frühe Besiedlung der Alten Welt. | Erklärt die Herkunft des modernen Menschen und die geringen Anteile archaischer DNA in uns. |
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Literatur
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- Thomas Litt, Jürgen Richter, Frank Schäbitz (Hrsg.): The Journey of Modern Humans from Africa to Europe. Culture-Environmental Interaction and Mobility. Schweizerbart Science Publishers, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-510-65534-2, Inhaltsverzeichnis.