Die prähistorische Evolution... ca. 9.500 bis 8.800 v. Chr.
Präkeramisches Neolithikum A
Die früheste Phase des Präkeramischen Neolithikums wird als Präkeramisches Neolithikum A (PPNA) bezeichnet. Diese Epoche erstreckte sich von 9.500 bis 8.800 v. Chr. und war prägend für die Levante sowie den nördlichen Bereich des Fruchtbaren Halbmonds. Kathleen Kenyon leistete Pionierarbeit, indem sie diesen Zeitabschnitt anhand der Schichtenfolge in Jericho definierte. Bemerkenswert ist, dass während dieser Periode die Technologie zur Herstellung von Tongefäßen noch nicht entwickelt war. Das PPNA umfasst sowohl epipaläolithische als auch frühjungsteinzeitliche Elemente und wird daher gelegentlich als protoneolithisch bezeichnet.
Es repräsentiert einen entscheidenden Übergang in der menschlichen Entwicklung. In der Archäologie dient der Begriff „PPNA“ als präzise zeitliche Einordnung für einen spezifischen Abschnitt des präkeramischen Neolithikums. Diese Bezeichnung ermöglicht es, kulturelle Entwicklungen in einer bestimmten Region einer klar definierten Epoche zuzuordnen. Forscher nutzen diese Klassifizierung, um die komplexen Veränderungen zu verstehen, die sich während des Übergangs von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise vollzogen. Das PPNA bildet somit einen Schlüssel zum Verständnis der frühen neolithischen Entwicklungen im Vorderen Orient.
Interpretation
Aufbruch in eine neue Ära
Die frühen Annahmen über das Präkeramische Neolithikum A (PPNA) haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Kathleen Kenyon vertrat zunächst die These, dass in dieser Epoche bereits ein effektiver Ackerbau existiert haben musste. Ihre Vermutung basierte auf der damaligen Vorstellung, dass Jäger und Sammler unter prekären wirtschaftlichen Bedingungen lebten. Moderne Forschungserkenntnisse zeichnen jedoch ein differenzierteres Bild. Entgegen früherer Annahmen stellte sich heraus, dass die nomadische Lebensweise als Jäger und Sammler weniger aufwendig war und eine größere Nahrungssicherheit bot als der frühe Getreideanbau. Im A-Horizont des präkeramischen Neolithikums, wie beispielsweise in Ain Mallaha, lebten die Menschen noch überwiegend von der Wildbeute.
Der Übergang zur Landwirtschaft vollzog sich schrittweise. In dieser Phase experimentierten die Menschen mit dem Anbau von Pflanzen, ohne dass dies bereits ihre Hauptnahrungsquelle darstellte. Diese neue Erkenntnis führte dazu, dass der Begriff PPN-A seit 1988 nicht mehr als Kulturbezeichnung verwendet wird. Stattdessen dient er nun ausschließlich zur zeitlichen Einordnung im Rahmen des Dreiperiodensystems. Ein bedeutender Faktor für die Entwicklung der PPNA-Kultur, die auf das Natufien folgte, war vermutlich der klimatische Wandel. Der Übergang von der Jüngeren Dryaszeit mit ihren vergleichsweise trockenen und kalten Bedingungen zum frühen Holozän, das dem heutigen Mittelmeerklima ähnelte, wird als möglicher Auslöser für diese kulturelle Veränderung betrachtet. Diese Neuinterpretation des PPNA unterstreicht die Komplexität des Übergangs zur neolithischen Lebensweise und zeigt, wie wichtig es ist, archäologische Befunde im Licht neuer Erkenntnisse kontinuierlich zu überprüfen und neu zu bewerten.
Materielle Kultur im Präkeramischen
Neolithikum A
Die Anfänge der Sesshaftigkeit
Die materielle Kultur des Präkeramischen Neolithikums A (PPNA) zeichnet sich durch bemerkenswerte Innovationen aus. Obwohl Keramikgefäße noch nicht hergestellt wurden, experimentierten die Menschen dieser Epoche mit anderen Materialien. Sie schufen Menschen- und Tierfiguren aus Ton und fertigten Behältnisse aus Gips, Stein und gebranntem Kalk an. Diese als „vaiselles blanches“ oder „white ware“ bekannten Objekte zeugen von handwerklichem Geschick. In dieser Periode befanden sich Pflanzenanbau und Tierhaltung noch in ihren Anfängen. Die Architektur war geprägt von Rundhäusern mit Terrazzo-Fußböden. Während die einzelnen Wohnstrukturen denen der vorhergehenden Natufien-Kultur ähnelten, nahmen die Siedlungen nun deutlich größere Ausmaße an – bis zu 7,5 Hektar.
Jericho nimmt in dieser Phase eine Vorreiterrolle ein. Hier finden sich erstmals in der Menschheitsgeschichte Belege für herausragende Bauwerke. Ein rundes Steinbauwerk mit innenliegender Treppe und Teile einer Umfassungsmauer am Siedlungsrand zeugen von fortschrittlichen architektonischen Fähigkeiten. Regional lassen sich verschiedene Ausprägungen des PPNA unterscheiden. In Palästina spricht man vom Sultanien, in der Region um Damaskus vom Aswadien und am mittleren Euphrat vom Mureybetien. Diese regionalen Varianten verdeutlichen die kulturelle Vielfalt innerhalb des PPNA. Die auf das PPNA folgende Periode wird als Präkeramisches Neolithikum B bezeichnet. Sie markiert den nächsten Schritt in der Entwicklung der neolithischen Kulturen des Vorderen Orients.
Vorformen der Landwirtschaft
Die Wurzeln des Ackerbaus in der präkeramischen Zeit
Die Forschung zur PPNA-Kultur hat interessante Hinweise auf frühe Formen der Landwirtschaft zutage gefördert. Diese Erkenntnisse basieren auf der Analyse von Pflanzenresten in verschiedenen Siedlungen dieser Epoche. Auffällig ist die erhöhte Präsenz bestimmter Wildpflanzen in den archäologischen Befunden. Zu diesen gehören Wildgerste, Emmer und Einkorn. Besonders bemerkenswert ist das vermehrte Auftreten rezessiver genetischer Varianten dieser Getreidearten. Die Häufigkeit dieser Varianten übersteigt das Maß, das bei einer rein natürlichen Vermehrung zu erwarten wäre. Ein weiterer Indikator für frühe landwirtschaftliche Aktivitäten ist die überdurchschnittliche Menge an Überresten typischer Unkrautpflanzen. Diese Pflanzen sind charakteristisch für Garten- und Ackerbau und kommen in den Fundstätten häufiger vor, als es in einer unberührten natürlichen Umgebung der Fall wäre. Diese Beobachtungen legen nahe, dass die Menschen des PPNA bereits aktiv in die Vermehrung und möglicherweise auch in die Selektion bestimmter Pflanzenarten eingriffen. Obwohl es sich noch nicht um vollentwickelten Ackerbau handelte, deuten diese Funde auf erste Schritte in Richtung einer kontrollierten Pflanzennutzung hin. Die Vorformen der Landwirtschaft im PPNA können als wichtige Experimentierphase betrachtet werden. Sie bildeten die Grundlage für die spätere Entwicklung des systematischen Ackerbaus und trugen maßgeblich zum Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise bei.
Präkeramisches Neolithikum A (PPNA)
STECKBRIEF
01
Name
Präkeramisches Neolithikum A (PPNA)
02
Alter
Ca. 9.500 bis 8.800 v. Chr.
03
Definition
Ältester Abschnitt des Präkeramischen Neolithikums im Vorderen Orient
04
Geografische Verbreitung
Levante und nördlicher Teil des Fruchtbaren Halbmonds
05
Benannt durch
Kathleen Kenyon, basierend auf der Stratigraphie von Jericho
06
Klimatischer Kontext
Übergang von der Jüngeren Dryaszeit zum frühen Holozän
07
Wirtschaftsweise
- Überwiegend wildbeuterisch
- Erste Experimente mit Pflanzenanbau
08
Materielle Kultur
- Keine Keramikgefäße
- Menschen- und Tierfiguren aus Ton
- Gefäße aus Gips, Stein und gebranntem Kalk („white ware“)
09
Architektur
- Rundhäuser mit Terrazzo-Fußböden
- Größere Siedlungen (bis zu 7,5 ha)
- Erste monumentale Bauten (z.B. Steinturm in Jericho)
10
Regionale Ausprägungen
- Sultanien (Palästina)
- Aswadien (Region um Damaskus)
- Mureybetien (Mittlerer Euphrat)
11
Vorformen der Landwirtschaft
- Erhöhtes Vorkommen von Wildgerste, Emmer und Einkorn
- Vermehrtes Auftreten von Unkrautpflanzen
12
Bedeutung
- Übergangsphase zwischen Epipaläolithikum und Neolithikum
- Wichtige Experimentierphase für frühe Formen der Landwirtschaft
13
Nachfolgende Periode
Präkeramisches Neolithikum B (PPNB)