Die prähistorische Evolution... ca. 8.200 - 6.500 v.Chr.

Präkeramisches Neolithikum B

Das Präkeramische Neolithikum B (PPNB)  ( Pre-Pottery Neolithic B) stellt eine entscheidende Phase in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte dar. Es wurde durch die renommierten archäologischen Arbeiten von Kathleen Kenyon in Jericho definiert und schließt an das Präkeramische Neolithikum A (PPNA)   (Pre-Pottery Neolithic A) in der Levante an. Während dieser Epoche, die als eine fortgeschrittenere Stufe des Akeramikums gilt, vollzog sich der Wandel hin zu sesshaften Gemeinschaften, die bereits Ackerbau betrieben und Tiere domestizierten. Auffällig ist jedoch, dass keramische Gefäße in dieser Region noch unbekannt waren.

Präkeramisches Neo B

Stattdessen nutzte man Materialien wie Ton, Gips und gebrannten Kalk, um Alltagsgegenstände und Kunstwerke zu schaffen. Aus Fundorten wie Cafer Höyük und Mureybet sind kleine Figuren aus Ton oder anderen Stoffen überliefert, die Tiere oder Menschen darstellten. Besonders beeindruckend sind die sogenannten „Vaisselles Blanches“ oder „White Ware“, Gefäße, die aus Gips oder gebranntem Kalk gefertigt wurden. Daneben sind auch Steingefäße aus dieser Zeit bekannt, teils in faszinierenden Tierformen, wie etwa in Bouqras entdeckt. Eine besondere Erwähnung verdienen die Hohlfiguren aus ʿAin Ghazal in Jordanien. Diese eindrucksvollen menschlichen Darstellungen bestehen aus einem kalkhaltigen Material und geben uns einen einzigartigen Einblick in die künstlerische und kulturelle Entwicklung dieser frühen Gesellschaften. Das PPNB  ( Pre-Pottery Neolithic B) ist somit eine klar definierte und bedeutende Epoche des präkeramischen Neolithikums, die durch ihre technologischen und kulturellen Fortschritte in einer spezifischen geografischen Region besonders hervorsticht. Das Präkeramische Neolithikum B (PPNB) erstreckte sich über ein weites geografisches Gebiet, das Syrien, Israel, Palästina, Jordanien und die südöstliche Türkei umfasste. In diesen Regionen fand die Kultur weitreichend Verbreitung, was auf die zunehmende Sesshaftigkeit und den damit verbundenen kulturellen Austausch hindeutet.

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Architektur und Lebensweise im PPNB

Vom Rundhaus zum Rechteck: Neue Bauformen und expandierende Siedlungen

Im Vergleich zu den Rundhäusern der vorangegangenen PPNA-Periode zeichnete sich der Hausbau im PPNB ( Pre-Pottery Neolithic B) durch rechteckige, oft mehrräumige Gebäude aus. Diese neue Bauweise war nicht nur funktionaler, sondern spiegelte auch den gesellschaftlichen Wandel wider. Hervorragende Beispiele für solche Bauwerke lassen sich in Çayönü und Cafer Höyük finden, wo sogenannte „grill-plan houses“ – Gebäude mit komplexeren Grundrissen – archäologisch nachgewiesen wurden. Erstaunlicherweise gibt es sogar Belege für zweigeschossige Häuser, was auf eine fortschrittliche Architektur und eine hoch entwickelte Nutzung von Wohnraum hindeutet. Als Baumaterialien wurden vor allem Natursteine und ungebrannte Lehmziegel verwendet, die in dieser Region leicht verfügbar waren. Für die Böden in den Häusern sowie für die Wege zwischen den Gebäuden wurden gebrannte Lehmsteine verwendet, was die Langlebigkeit und Beständigkeit der Bauten erhöhte. Diese architektonischen Neuerungen und Verbesserungen führten dazu, dass die Siedlungen im PPNB deutlich größer wurden als in der vorangegangenen Epoche, mit Ausdehnungen von bis zu 15 Hektar. Besonders bemerkenswert ist, dass viele dieser architektonischen Innovationen erstmals in Siedlungen der PPNA-Kultur im nördlichen Syrien am Euphrat auftraten. Von dort breiteten sie sich nach Süden und Westen aus, wodurch sie die Entwicklung anderer Siedlungen beeinflussten und die Grundlage für eine neue Ära des Bauens und Lebens legten.

Çayönü ist eine neolithische Siedlung in der Südtürkei wurde seit Tausenden von Jahren bewohnt.

Fortschritte in der Landwirtschaft im PPNB

Von Wildpflanzen zur gezielten Kultivierung:
Der Beginn systematischer Landwirtschaft und Tierhaltung

Während in der Vorgängerkultur des Präkeramischen Neolithikums A (PPNA) nur rudimentäre Formen der Landwirtschaft mit Wildarten von Gerste, Emmer und Einkorn vermutet werden, zeigt das Präkeramische Neolithikum B (PPNB)  ( Pre-Pottery Neolithic B) eine deutliche Entwicklung hin zu einer systematischen und nachhaltigen Landwirtschaft. Diese Epoche war geprägt von einer gezielten Kultivierung von Pflanzen, die nicht nur in ihrer Vielfalt zunahm, sondern auch ertragreicher wurde. Neben Getreidesorten wie Gerste und Weizen sind auch Hülsenfrüchte wie Linsen und Kichererbsen archäologisch nachgewiesen worden. Ein besonders bedeutendes Merkmal der Landwirtschaft im PPNB ist das Auftreten größerer Fruchtkörper, was auf die gezielte Auswahl und Zucht von Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften hindeutet. Zusätzlich zu den Fortschritten im Ackerbau begann ab etwa 8400 v. Chr. die Domestizierung von Tieren. Besonders Schafe und Ziegen, die ursprünglich wild lebten, wurden nun gezielt gezähmt und gezüchtet. Diese Domestizierung spielte eine zentrale Rolle in der Wirtschaft und dem Alltag der Menschen im PPNB, da sie eine stabile Quelle für Fleisch, Milch und Wolle bot und somit die Grundlage für eine zunehmend sesshafte Lebensweise stärkte.

Ackerbau und Domestizierung von Tieren

Werkzeuge und Waffen des PPNB

Innovation in Stein: Vielfältiges lithisches Inventar und die ersten Spuren des Fernhandels

Das lithische Inventar des Präkeramischen Neolithikums B (PPNB)  ( Pre-Pottery Neolithic B) zeigt eine beeindruckende Vielfalt an Werkzeugen und Waffen, die auf fortgeschrittene Techniken der Steinbearbeitung hinweisen. Typisch für diese Epoche ist der bidirektionale Abbau von kielförmigen Kernen, eine Methode, die es ermöglichte, besonders lange und scharfe Klingen zu produzieren. Zu den am häufigsten gefundenen Werkzeugen gehören Kratzer, Pfeilspitzen, Sichelklingen, Bohrer und Beile, wie sie zum Beispiel in Nahal Lavan 109 gefunden wurden.

Innovation in Stein Vielfältiges lithisches Inventar Illustration © OpticalArtInc

Einige der für das PPNB charakteristischen Geräteformen sind:

  • Çayönü-Geräte: Diese langen, lateral retuschierten Klingen zeichnen sich durch ein deutlich verdicktes Proximalende aus. Ihr Zweck ist bisher nicht geklärt.
  • Byblos-Spitzen: Diese Pfeilspitzen durchliefen mehrere Entwicklungsstufen und bieten wertvolle Hinweise auf die technologische Evolution der Epoche.
  • Blattförmige Spitzen mit basaler Flächenretusche: Diese eleganten, blattförmigen Spitzen zeigen eine aufwendige Retusche an der Basis.
  • Spitzen mit gekappter Basis (truncated base points): Diese weisen eine charakteristische abgeflachte Basis auf, die wahrscheinlich ihre Befestigung an Schäften erleichterte.
  • Helwan-Spitzen: Diese Spitzen sind ein weiteres typisches Merkmal des PPNB und zeigen eine feine Bearbeitung.

Als Rohmaterialien für die Herstellung dieser Werkzeuge wurden vor allem Feuerstein und anatolischer Obsidian verwendet. Der Einsatz von Obsidian ist von besonderer Bedeutung, da er den frühesten Nachweis von Handel über größere Entfernungen liefert. Der Obsidian stammt aus Anatolien und wurde über weite Strecken transportiert, was auf die Entstehung erster Handelsnetzwerke hindeutet. Möglicherweise im Zusammenhang mit diesem frühen Handel stehen Funde kleiner, sphärischer und pyramidischer Keramikobjekte. Diese werden als Zählmarken interpretiert, die in Handelsgeschäften verwendet wurden, um Waren oder Transaktionen zu erfassen – ein faszinierender Hinweis auf die Anfänge eines Wirtschaftssystems im PPNB.

Rituale und Praktiken der Bestattung im PPNB

Von Siedlungsbestattungen zu rituellen Grabbeigaben:
Einblicke in die Trauerkultur der Frühzeit

Im Präkeramischen Neolithikum B (PPNB)  ( Pre-Pottery Neolithic B) waren Bestattungen in den Siedlungen selbst weit verbreitet. Diese Siedlungsbestattungen zeigen, dass die Gemeinschaften ihre Verstorbenen in engem Bezug zum täglichen Leben begruben. Im Gegensatz zu früheren Epochen wurden im PPNB zunehmend Grabbeigaben beigelegt, was auf eine tiefere Bedeutung der Bestattungsrituale und möglicherweise auf einen Glauben an ein Leben nach dem Tod hindeutet. Gleichzeitig nahmen auch die Funde von Tierknochen in den Gräbern im Vergleich zum Präkeramischen Neolithikum A (PPNA)  (Pre-Pottery Neolithic A) deutlich zu, was darauf hinweist, dass Tiere eine symbolische oder rituelle Rolle bei den Begräbnissen spielten. Besonders auffällig ist die Praxis, die Gesichter der Toten teilweise aus Gips nachzubilden. Berühmte Funde dieser Art stammen aus Jericho und Nahal Hemar. Diese Gipsmasken sind bemerkenswerte Beispiele für die handwerkliche Kunst und den rituellen Umgang mit den Verstorbenen. Eine weitere Besonderheit dieser Zeit ist der Umgang mit den Schädeln der Toten. Oft wurden die Schädel nach dem Tod bearbeitet, entnommen und separat aufbewahrt. Sie wurden zur Schau gestellt, möglicherweise als Teil eines Ahnenkults, und später gesondert bestattet. Diese Praktiken deuten auf eine tief verwurzelte Verehrung der Vorfahren und eine komplexe rituelle Bedeutung des Todes hin.

Replik einer Steinmaske, Nahal Hemar-Höhle, Präkeramik Neolithikum B

Präkeramisches Neolithikum B (PPNB)

STECKBRIEF

01

Name

Präkeramisches Neolithikum B (PPNB)

02

Alter

Circa 8200 – 6.500 v. Chr. 

03

Geografische Verbreitung

  • Syrien
  • Israel
  •  Palästina
  • Jordanien
  • Südost-Türkei

04

Architektur

  • Rechteckige, mehrräumige Häuser (im Gegensatz zu Rundhäusern der vorherigen Epoche)
  • Verwendung von Natursteinen und ungebrannten Lehmziegeln
  • Entwicklung von zweigeschossigen Bauwerken

05

Landwirtschaft

  • Systematischer Anbau von Getreide (Gerste, Emmer, Einkorn) und Hülsenfrüchten
  • Zucht und Domestizierung von Schafen und Ziegen ab ca. 8400 v. Chr.
  • Größere Fruchtkörper als bei Wildpflanzen, was auf Zucht hindeutet

06

Lithisches Inventar

  • Bidirektionaler Abbau kielförmiger Kerne
  • Vielfältige Werkzeuge: Kratzer, Pfeilspitzen, Sichelklingen, Bohrer, Beile
  • Verwendung von Feuerstein und anatolischem Obsidian; erste Hinweise auf Fernhandel

07

Bestattungen

  • Siedlungsbestattungen mit Grabbeigaben
  •  Nachbildung von Gesichtern aus Gips (z. B. Jericho, Nahal Hemar)
  •  Bearbeitung und separate Bestattung von Schädeln

08

Wirtschaft

  • Anzeichen einer Erschöpfung natürlicher Ressourcen gegen Ende der Kultur
  •  Rückgang der Bauqualität und große, Abnahme der gefundene Holzkohle und tierischen Überreste

09

Kulturelle Bedeutung

  • Übergang zu einer sesshaften Lebensweise
  •  Entwicklung komplexer sozialer Strukturen und Handelsnetzwerke

Präkeramisches Neolithikum B (PPNB)
Wichtige Fundorte

JERICHO
ca. 11.000 v.Chr 

MUREYBET 
ca. 10.200 – 8.000 v.Chr

ÇAYÖNÜ
ca. 10.000 – 7.000 v.Chr

NEVALI ÇORI
ca. 8.800 – 7.000  v.Chr

BOUQRAS
ca. 7.400 – 6.200 v.Chr

ʿAIN GHAZAL
ca. 7.300 – 5.000 v.Chr

ÇATALHÖYÜK
ca. 7.100 – 5.700 v.Chr

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