Die prähistorische Evolution... 9500 und 8500 v. Chr.

Sultanien

Das Sultanien: Eine Brücke zwischen Jägern und Bauern. In den Tiefen der Geschichte, als die Menschheit noch am Scheideweg zwischen nomadischem Jägertum und sesshafter Landwirtschaft stand, entfaltete sich eine faszinierende Kultur in der südlichen Levante. Wir nennen sie das Sultanien, benannt nach dem sagenumwobenen Tell es-Sultan, besser bekannt als Alt-Jericho. Diese archäologische Kultur, die in der englischsprachigen Fachwelt als „Sultanian“ bezeichnet wird, markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der menschlichen Entwicklung.

Sultanien Proto-Neolithikum

Zeitliche Einordnung und Ursprung

Zwischen 11.600 und 11.000 cal. BP blühte das Sultanien in der südlichen Levante auf. Manche Experten, wie die Autoren des „Oxford Handbook of the Archaeology of the Levant“, setzen den Zeitrahmen auf 9500 bis 8500 v. Chr. fest. Die Namensgebung dieser Kultur geht auf Joan Crowfoot-Payne zurück, die sich bei ihrer Klassifizierung auf Flintwerkzeuge aus Jericho stützte. Im Laufe der Zeit hat sich die Einordnung des Sultanien in der Forschung als komplex erwiesen. Während einige es als Nachfolger des Khiamien betrachten, vermutete Crowfoot-Payne ursprünglich eine Koexistenz beider Kulturen. Heutzutage wird das Sultanien oft mit dem Präkeramischen Neolithikum gleichgesetzt oder als dessen Teilaspekt angesehen. In manchen Kreisen gilt der Begriff sogar als überholt.

Flint Feuersteinwerkzeuge aus Jericho

Besonderheit des Sultanien

Die Besonderheit des Sultanien liegt in seinem Charakter als Übergangskultur. Es repräsentiert den allmählichen Wandel von der Jäger-und-Sammler-Gesellschaft zur sesshaften Lebensweise. Dieser Umbruch spiegelt sich in der Bezeichnung „Bauern-Jäger-Kultur“ wider, die gelegentlich verwendet wird. Ein bemerkenswerter Aspekt des Sultanien ist die zunehmende gesellschaftliche Differenzierung. Im Gegensatz zu den einfachen Grabbeigaben des Khiamien deuten die aufwendigeren Beigaben des Sultanien auf eine sich entwickelnde soziale Hierarchie hin. Gleichzeitig intensivierte sich der Fernhandel, der sich bis nach Anatolien erstreckte und bereits im Natufien mit Obsidianhandel begann.

Handstücke von Obsidian mit typischem Muschelbruch und scharfen Kanten

Geografische Verbreitung

Die geografische Verbreitung des Sultanien erstreckt sich über das Jordantal, das Wadi Araba und die Küstenebene. Interessanterweise konzentrierten sich die ackerbaulichen Aktivitäten und Siedlungen hauptsächlich auf das Jordantal, während die Jagd in den umliegenden Bergregionen stattfand. Zu den bedeutendsten Fundstätten dieser faszinierenden Kultur zählen neben Jericho auch Gesher, Gilgal I und Hatula. Weitere wichtige Orte sind Nahal Oren, Netiv Hagdud, Salihiya IX, Dhra‘, Zaharat adh-Dhra‘ 2, Iraq ed-Dubb, ‚Ain-Darat und Wadi Feinan 16. Diese Stätten liefern wertvolle Einblicke in eine Zeit des Umbruchs und der Innovation. Das Sultanien steht in einer Reihe mit anderen frühen altorientalischen Kulturen wie dem Khiamien, dem Aswadien und dem frühen Mureybetien, die sich im Euphratbogen zwischen Aleppo und dem Quellgebiet des Belich entwickelten. Gemeinsam bilden sie das Fundament für unser Verständnis der frühen Entwicklungsphasen menschlicher Zivilisation im Nahen Osten. 

Zahrat Adh-'Dhra 2 Westansicht

Handwerkliche Fähigkeiten

Bemerkenswert ist auch der Nachweis von Flechtarbeiten in dieser Epoche, was auf fortschrittliche handwerkliche Fähigkeiten hindeutet. Diese Fertigkeit unterstreicht den innovativen Charakter des Sultanien und zeigt, wie vielfältig die Entwicklungen in dieser Übergangszeit waren.

Sultanien, Flechtarbeiten Illustration © OpticalArtInc

Sultanien

STECKBRIEF

01

Name

Sultanien

02

Alter

  •  Ca. 11.600 bis 11.000 cal. BP
  • Alternativ: 9500 bis 8500 v. Chr.

03

Geografische Lage

  • Südliche Levante
  • Hauptsächlich im Jordantal, Wadi Araba und der Küstenebene

04

Kulturelle Einordnung

  • Epipaläolithikum oder frühes Präkeramisches Neolithikum
  • Übergangskultur zwischen Jäger-Sammler und sesshafter Lebensweise

05

Namensgebung

  • Benannt nach Tell es-Sultan (Alt-Jericho)
  • Begriff geprägt von Joan Crowfoot-Payne

06

Merkmale

  • Entwicklung hin zu produzierender Lebensweise
  •  Beginnende gesellschaftliche Hierarchisierung
  • Intensivierung des Fernhandels (bis nach Anatolien)
  • Nachweise von Flechtarbeiten

07

Wirtschaftsweise

Mischform aus Ackerbau (hauptsächlich im Jordantal) und Jagd (in Bergregionen)

08

Bedeutende Fundorte

  • Jericho, Gesher, Gilgal I, Hatula, Nahal Oren, Netiv Hagdud, Salihiya IX, Dhra‘, Zaharat adh-Dhra‘ 2, Iraq ed-Dubb, ‚Ain-Darat, Wadi Feinan 16

09

Verwandte Kulturen

Khiamien, Aswadien, frühes Mureybetien

10

Forschungsstand

  •  Diskussion über genaue zeitliche und kulturelle Einordnung
  •  Teilweise als veraltet betrachteter Begriff
  •  Zunehmende Gleichsetzung mit oder Eingliederung in das Präkeramische Neolithikum

11

Besonderheiten

  • Aufwändigere Grabbeigaben im Vergleich zum Khiamien
  • Wichtige Rolle beim Verständnis des Übergangs zur Sesshaftigkeit im Nahen Osten

Proto-Neolithikum KULTUREN/ INDUSTRIEN

NATUFIEN
ca. 12.000 – 9.500 v.Chr

SULTANIEN
ca. 9.500 – 8.500 v.Chr

KHIAMIEN
ca. 10.000– 9.500 v.Chr

Proto-Neolithikum Wichtige Fundorte

JERICHO
ca. 11.000 v.Chr 

MUREYBET I A
ca. 10.200 – 8.000 v.Chr 

EL KHIAM
ca. 9.750 – 9.550 v.Chr 

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