Die prähistorische Evolution... ca. 6000–5800 v.Chr.

Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

Die Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur repräsentiert die früheste archäologische Fundgruppe des keramischen Neolithikums im nördlichen Mesopotamien. Ihren Namen verdankt sie den herausragenden Fundstätten Umm Dabaghiyah und Tell Sotto, die sich im heutigen Irak befinden und ein präzises Bild dieser prähistorischen Gemeinschaft vermitteln. Oft wird sie auch als Proto-Hassuna-Kultur bezeichnet, da die Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur als eine unmittelbare Vorläuferin der späteren Hassuna-Kultur gilt, die sich durch eine zunehmende Komplexität der materiellen Kultur und der Siedlungsstrukturen auszeichnete. Die Kultur ist besonders für ihre frühen Keramikarbeiten und ihre einzigartigen Gräber bekannt, die tiefere Einblicke in das Leben und die religiösen Vorstellungen der Menschen jener Zeit bieten.

Die archäologischen Funde umfassen Artefakte, die auf eine klare Entwicklung hin zur Herstellung von Keramik deuten, wobei die Werkstoffe und die Fertigungstechniken noch relativ einfach waren. Diese Kultur markiert jedoch den Übergang zu einer Zeit, in der Keramik eine immer bedeutendere Rolle im Alltag der Menschen spielte. Obwohl die archäologische Forschung heute das Bild der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur zunehmend verfeinert, herrscht unter Experten keine Einigkeit über die genaue Bezeichnung dieser Epoche. Verschiedene Begriffe und Interpretationen prägen die Diskussion, da sich die Fundgruppe zeitlich und kulturell in einer Übergangsphase befindet, die sowohl Elemente älterer Kulturen als auch Ansätze zukünftiger Entwicklungen in sich trägt. Dies erschwert eine eindeutige Kategorisierung und verleiht der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur einen besonderen Stellenwert im Verständnis der mesopotamischen Frühgeschichte.

Mann Frau

Datierung der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

Einblick in die prähistorische Besiedlung im nördlichen Mesopotamien

Die Dschazira im Nahen Osten

Die Datierung der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur stützt sich maßgeblich auf Funde und Vergleiche, da zuverlässige Radiokarbon-Daten bis heute nur begrenzt verfügbar sind. Seit den frühen 1970er Jahren, als Diana Kirkbride in Umm Dabaghiyah und Nikolai O. Bader in Tell Sotto umfangreiche Grabungen durchführten, hat sich ein deutlicheres Bild dieser Kulturgruppe entwickelt. Die Ausgrabungen auf den Siedlungshügeln in der Dschazīra-Ebene lieferten bedeutende Einblicke in eine Besiedlungsphase, die den Aufstieg der Hassuna-Kultur um Jahrhunderte vorausgeht und die Entwicklung der frühen Keramikproduktion in Nordmesopotamien widerspiegelt. In der Region Telul eth-Thalathat, speziell am Tell 2, wurde eine frühe Bauphase entdeckt, die charakteristische  Merkmale der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur aufweist und mittels Radiokarbonanalyse auf etwa 5.850 ± 80 v. Chr. datiert wurde.

Ein weiteres C14-Datierungsergebnis stammt von Kashkashok II, dessen Schicht eine Proto-Hassuna-Keramik enthielt und einen Zeitraum von etwa 5.930–5.540 v. Chr. abdeckt. Diese Messungen bieten wichtige, wenn auch grobe Anhaltspunkte für die Einordnung der Kultur. Obwohl für die Fundorte Umm Dabaghiyah und Tell Sotto selbst bislang keine Radiokarbon-Daten existieren, erlauben die stratigraphischen Befunde doch eine relative Datierung. Die Keramikabfolge in den Schichten von Tell Sotto zeigt, wie sich die Entwicklung über die Zeit hinweg vollzieht: In den Schichten 1 bis 6 weisen die Funde deutliche Ähnlichkeiten zu Umm Dabaghiyah auf, was auf eine enge kulturelle Verbindung hindeutet. In den oberen Schichten 7 und 8 hingegen erscheinen Keramiktypen, die stilistische Merkmale der archaischen Hassuna-Keramik zeigen, und damit die ersten Phasen der nachfolgenden Kultur dokumentieren.

DAS Verbreitungsgebiet und wichtige Fundorte der
Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

Einblick in die prähistorische Besiedlung im nördlichen Mesopotamien

Im Gegensatz zu früheren Kulturen, die sich vorwiegend in den halbmondförmig verlaufenden Hügelzonen um Nordmesopotamien konzentrierten, zeigen die Siedlungen der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur eine deutliche Verlagerung in die fruchtbaren Ebenen entlang der Flüsse Euphrat und Tigris. Diese Gemeinschaften hinterließen materielle Spuren, die sich über große Teile der Dschazīra-Region erstrecken und dabei ein breites Gebiet von den Ausläufern des Zāgros-Gebirges im Osten bis hin zu den westlichen Ufern des Chabur-Flusses umschließen. Im Zentrum dieser Besiedlung steht das Gebiet um den oberen Tigris südlich des Dschabal Sindschar, nahe Mossul, das als Kerngebiet dieser Kulturgruppe gilt. Umm Dabaghiyah, etwa 26 Kilometer westlich von Hatra gelegen, befindet sich am südlichsten Rand der Fundorte und wird oft als eine Art Außenposten angesehen, der vermutlich primär zu Jagdzwecken genutzt wurde. Im Vergleich dazu liegt Tell Sotto weiter nördlich, rund 2 Kilometer westlich von Yarim Tepe und nahe Kül Tepe im Westen. Etwa 40 Kilometer östlich von Sotto erhebt sich Telul eth-Thalathat, was auf eine dichte Ansammlung von Siedlungen innerhalb der obermesopotamischen Ebene hinweist. Diese Siedlungen könnten eine Netzwerkstruktur aufweisen, die durch geografische Nähe und kulturelle Gemeinsamkeiten miteinander verbunden war. Weiter westlich, im Nordosten Syriens, stoßen Archäologen auf die Fundstätten Kashkashok II und Khazna II, die in der Nähe von al-Hasaka am Chabur liegen und das westliche Siedlungsgebiet der Kultur markieren. Die östliche Grenze bildet hingegen der Fundort Gird Ali Agha, der am Großen Zab liegt und die Ausdehnung der Kultur in Richtung Zāgros-Gebirge symbolisiert.

Das Ausbreitungsgebiet der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

Materielle Charakterisierung der
Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

Einblick in die prähistorische Besiedlung im nördlichen Mesopotamien

Frühe Anfänge der Kulturen wurden in Jarmo (als roter Kreis, ca. 7500 v. Chr.) nachgewiesen. Weitere Zivilisationen Mesopotamiens des 7.–5. Jahrtausends v. Chr. waren die Hassuna-Kultur (hellgelber Kreis) im Norden, die Halaf-Kultur (grüner Kreis) im Nordwesten, die Samarra-Kultur (lila Kreis) in Zentralmesopotamien und die Obed-Kultur (dunkelgelber Kreis) im Südosten, die sich später auf die gesamte Region ausdehnte.

Vereinzelte ältere Fundstätten wie Jarmo oder Maghzaliya beherrschten bereits grundlegende Techniken der Keramikherstellung und zählen somit zu den klassischen Vertretern des keramischen Neolithikums in Nordmesopotamien. Ihre materielle Kultur erreichte jedoch nicht die Vielfalt und Komplexität, die später für die Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur charakteristisch wurde. Diese früheren Gemeinschaften legten den Grundstein, doch erst ab etwa 6.000 v. Chr. lässt sich eine intensivere und differenziertere Nutzung von Keramik erkennen, die einen kulturellen Entwicklungsschub markiert. In dieser Zeit wird nicht nur eine breitere Verbreitung von Keramikgütern sichtbar, sondern auch eine auffällige Homogenität zwischen den Funden aus verschiedenen Siedlungen. Diese Angleichungen deuten darauf hin, dass die Keramikproduktion nicht mehr ausschließlich lokal geprägt war, sondern auf überregionale Einflüsse und ein abgestimmtes Netzwerk hindeutet. Siedlungen wie Umm Dabaghiyah und Tell Sotto fügen sich dabei in ein kulturelles Gefüge ein, das weite Teile Nordmesopotamiens umfasste und ein kohärentes Bild der materiellen Kultur hinterließ. Die Entwicklungen zeigen, dass die Gesellschaften zunehmend interagierten und möglicherweise Wissen und Techniken austauschten. Die Verbreitung der charakteristischen Keramik und die wachsenden Übereinstimmungen in Form, Verzierung und Funktion der Artefakte lassen vermuten, dass die Gemeinschaften in einem frühen Netzwerk verbunden waren, das auf kulturellen Austausch und möglicherweise auf ökonomischen Handel basierte.

Töpferei

Die Keramik der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

schlichte, aber funktionale Formen

Die Keramik der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur zeichnet sich durch schlichte, aber funktionale Formen und robuste Ausführungen aus, die das tägliche Leben der damaligen Gemeinschaften widerspiegeln. Die Gefäße bestehen meist aus dickwandigem Ton, der durch pflanzliche Zuschlagstoffe gemagert wurde, um Festigkeit zu gewinnen. Gebrannt bei niedrigen Temperaturen, erhielten die Gefäße eine grobkörnige, teilweise poröse Oberfläche. Hergestellt wurde diese einfache, unglasierte Ware in Handarbeit mit der Wulsttechnik, da die Töpferscheibe noch nicht zur Verfügung stand. Interessanterweise wurden neben den typischen, groben Gefäßen auch Funde von feinerer Keramik entdeckt, die möglicherweise importiert wurden und auf frühe Handelsbeziehungen oder kulturellen Austausch hinweisen. Während die Mehrzahl der Gefäße schlicht und unornamentiert blieb, gibt es auch einige kunstvoll verzierte Exemplare.

Herstellung einer Schale aus Steinzeugmasse in Wulsttechnik ©Poupou l'quourouce - Eigenes Werk

Diese zeigen Bemalungen mit Ocker oder feine Ritzverzierungen, die mit simplen, aber symbolträchtigen Motiven versehen sind. Typische Muster, wie Punkte, Kreise, Häkchen, Dreiecke und Fischgrätenmuster, wurden meist knapp unterhalb des Gefäßrandes angebracht, was den Gefäßen eine dekorative Eleganz verleiht, ohne die Funktionalität zu beeinträchtigen. Zu den nützlichsten Formen zählen Schalen mit gerilltem Boden, die vermutlich beim Schälen von Hülsenfrüchten Verwendung fanden und später auch im Stil der Hassuna-Keramik wieder auftauchten. Besonders bemerkenswert sind die detailreich modellierten Dekorationselemente, die einfache Gefäße zu symbolisch aufgeladenen Artefakten machten. Diese Motive stellen nicht nur geometrische Formen dar, sondern auch menschliche Augen und Ohren, Tierköpfe, Schlangen und sogar anthropomorphe Figuren sowie Mondsicheln, was auf rituelle oder symbolische Bedeutungen hinweisen könnte. Die Vielfalt an Gefäßtypen umfasst runde und ovale Formen, einfache Töpfe, Schüsseln und Schalen sowie doppelkonische Behältnisse, die mit einer Höhe von bis zu 50 Zentimetern auch für die Lagerung größerer Mengen geeignet waren.

Steininventar und Kleinfunde der
Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

Einblick in die prähistorische Besiedlung im nördlichen Mesopotamien

Steininventar und Kleinfunde der Umm Dabaghiyah Sotto Kultur

Das Steininventar der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur zeigt eindrucksvoll die Vielfalt und den hohen technischen Stand der Werkzeuge und Alltagsgegenstände dieser Zeit. Gebrauchsgegenstände wie Schaber, Schneid- und Bohrwerkzeuge wurden aus lokalem Silex gefertigt, während der hochwertige Obsidian für schärfere Werkzeuge von weit her importiert wurde – hauptsächlich aus der Region des Vansees und dem Göllü Dağ in Anatolien. Diese Importe verweisen auf ein gut etabliertes Handelsnetz, das bereits frühe Fernbeziehungen ermöglichte. Besonders auffällig ist das Übergewicht an Sichelklingen und gewöhnlichen Abschlägen, die fast an allen Fundorten, mit Ausnahme von Umm Dabaghiyah, dominieren. Die Bedeutung solcher Werkzeuge für die Ernte und Verarbeitung von Getreide könnte hierbei eine Rolle gespielt haben. Neben Silex und Obsidian kamen auch härtere Gesteine wie Marmor und Basalt für die Herstellung robuster Werkzeuge zum Einsatz. Äxte, Flachbeile, Hacken und Stichel wurden sorgfältig aus diesen Materialien geformt, und an vielen Fundorten finden sich gestielte Projektilspitzen, die wahrscheinlich für Jagd und Verteidigung verwendet wurden.

Weitere bedeutende Funde umfassen polierte Gefäße aus Alabaster und marmoriertem Kalkstein sowie fein bearbeitete Objekte aus Hartgestein, darunter Mahlsteine und Keulenköpfe, die die Bearbeitungstechniken und den handwerklichen Anspruch der damaligen Bevölkerung unterstreichen. Gips spielte ebenfalls eine wichtige Rolle; er diente sowohl zum Verputzen von Gebäuden als auch zum Modellieren, Auskleiden von Körben und der Herstellung einfacher Schalen. Ein besonders spannender Fundkomplex ist das Waffenlager in Umm Dabaghiyah, in dem Archäologen über 2.400 gebrannte Tonkugeln – vermutlich Schleuderprojektile – entdeckten, von denen einige einen Durchmesser von bis zu 15 Zentimetern aufweisen. Diese Funde verdeutlichen das Potential für organisierte Verteidigung oder möglicherweise auch für rituelle Aktivitäten. Kunstvolle weibliche Tonfigurinen, teilweise bemalt oder mit Ritzmustern versehen, geben Einblicke in die symbolische und religiöse Welt dieser Menschen. Sie zeugen von künstlerischem Ausdruck und deuten darauf hin, dass weibliche Formen möglicherweise eine besondere kultische Bedeutung hatten. Die Textil- und Lederverarbeitung ist durch zahlreiche Webgewichte aus Gips, tönerne Spinnwirtel sowie Ahlen und Nadeln aus Knochen belegt. Diese Werkzeuge spiegeln das Können in der Herstellung von Kleidung und Textilien wider, das für das alltägliche Leben dieser Gemeinschaften unverzichtbar war. Von besonderem Interesse sind die seltenen Perlen aus verschiedenen Mineralien, die zu Arm- und Halsbändern gefertigt wurden, und erste Funde von Kupferobjekten, die auf Anfänge der Metallurgie in Nordmesopotamien hinweisen. Diese Metallarbeiten markieren den Beginn einer neuen Ära in der Technologiegeschichte, die schließlich zur Etablierung von fortschrittlicheren Metallbearbeitungstechniken führen sollte. Die Vielfalt und Qualität dieser Funde zeigen eine Gesellschaft, die nicht nur das tägliche Leben durch Handwerkskunst und Handel organisierte, sondern auch erste Schritte in der Metallverarbeitung unternahm und dabei vermutlich erste überregionale Kontakte knüpfte.

Ackerbau

Siedlungsweise und Wirtschaftsgrundlagen der
Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

Einblick in die prähistorische Besiedlung im nördlichen Mesopotamien

Grundriss der Speicherbauten in Umm Dabaghiyah (Schicht III-IV)

Die Menschen der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur lebten in bescheidenen dörflichen Gemeinschaften, die durchschnittlich 20 bis 30 Personen umfassten – eine Größe, die die Bedeutung der engen sozialen Struktur für das Überleben dieser frühen Gemeinschaften unterstreicht. Ihre Häuser waren in der Regel rechteckig und einfach konstruiert, wobei die sogenannte Tauf-Bauweise dominierte: Frisch geformtes, feuchtes Lehmmaterial wurde per Hand zu stabilen Wänden aufgeschichtet. Alternativ kamen luftgetrocknete Lehmziegel zum Einsatz, die mit einem speziellen Fugenmörtel zusammengehalten wurden, um die Wände wetterbeständig zu machen. Die Konstruktionen waren robust und praktisch gestaltet, mit dicken Putzschichten auf Wänden, Böden und Einrichtungsgegenständen. Zum Interieur der Häuser gehörten Bänke, Vorratsnischen und Ablagen, die nahtlos in die Lehmstruktur eingearbeitet waren. Zentral befand sich meist eine Kochstelle, verbunden mit einem Ofen an der Hausaußenseite, der dank eines simplen Rauchabzugs eine effektive Belüftung ermöglichte.

Der Zugang zu den kleinen, teilweise beengten Räumen erfolgte – ähnlich wie in Çatalhöyük – hauptsächlich über das Dach, das nicht nur als Eingang, sondern vermutlich auch als erweiterter Arbeitsbereich genutzt wurde. Die Häuser in der Siedlung Sotto bestanden aus jeweils einem einzelnen Raum von etwa 12 bis 16 Quadratmetern, während einige Wohnhäuser in Umm Dabaghiyah durch winzige Türöffnungen zwischen den Räumen miteinander verbunden waren. Diese Türen, nur 50 bis 74 Zentimeter hoch, zwangen die Bewohner zum Kriechen, was möglicherweise auch dem Zweck diente, die Räume besser gegen Kälte oder Sandstürme abzuschirmen. Darüber hinaus wurden funktionale Gebäude und Vorratsbauten errichtet, darunter Speicherhäuser und Gruben zum Brennen von Keramik. Wannenartige, mit Ablaufkanälen versehene Konstruktionen dienten vermutlich als Becken zum Gerben von Tierhäuten und Fellen, was auf spezialisierte handwerkliche Tätigkeiten innerhalb der Gemeinschaft schließen lässt.

Siedlungsweise und Wirtschaftsgrundlagen der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur © OpticalArtInc

Die Ernährung der Umm Dabaghiyah-Sotto-Gesellschaft basierte hauptsächlich auf Regenfeldbau. Mithilfe einfacher Agrartechniken wurden Grundnahrungsmittel wie Emmer, Einkorn, primitive Formen von Gerste (wie Nacktgerste), Erbsen und Linsen kultiviert. Diese Pflanzenarten waren widerstandsfähig und passten sich an das semiaride Klima Nordmesopotamiens an. Eine Besonderheit stellt die Siedlung Umm Dabaghiyah dar, die sich von anderen Fundorten durch ihre klare Spezialisierung auf großangelegte Jagd unterschied. Die Bewohner setzten hier auf verschiedene Jagdmethoden wie Netze und Fallgruben, um die umliegende Fauna zu erlegen. Ihre Beute umfasste Gazellen, Onager, Wildschweine, Auerochsen und Wildtiere wie Hyänen, Wölfe, Hasen und verschiedene Vogelarten. Diese Artenvielfalt zeigt nicht nur die Jagdkompetenzen der Siedlung, sondern lässt auch vermuten, dass sie möglicherweise als zentraler Jagdposten der Kultur fungierte. Neben der Jagd wurden erste Nutztiere domestiziert. Die Viehzucht umfasste Schafe und Ziegen, die durch ihre genügsame Art ideale Begleiter für diese frühen Landwirte waren, aber auch Rinder, Schweine und Hunde. Diese Tiere lieferten nicht nur Nahrung und Arbeitskraft, sondern auch Materialien wie Wolle, Leder und Knochen, die für die Herstellung von Kleidung, Werkzeugen und anderen Alltagsgegenständen unerlässlich waren. Die Kombination aus landwirtschaftlicher und jagdlicher Spezialisierung, ergänzt durch Viehhaltung, schuf eine stabile Grundlage für das Überleben und den Zusammenhalt dieser Gemeinschaften in der kargen Landschaft Nordmesopotamiens.

Wandmalerei (1)

Wandmalerei und Bestattungspraktiken der
Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

Bilder des Lebens und Rituale des Abschieds

Jagd szene Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur Illustration © OpticalArtInc

Obwohl viele Aspekte des alltäglichen Lebens und der kulturellen Identität der Menschen der Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur verborgen bleiben, gewähren uns einige Überreste faszinierende Einblicke in ihre symbolische Welt. Besonders aufschlussreich sind die Wandmalereien in Umm Dabaghiyah, die mit rotem Ocker an die Innenwände der Häuser gemalt wurden. Diese kunstvollen Darstellungen zeigen, wie eng das Leben der Menschen mit der Jagd auf Wildtiere verwoben war: Szenen mit Wildeseln, die vermutlich mit Haken und Netzen gejagt werden, scheinen Momente des intensiven Überlebenskampfes festzuhalten. Die Figuren und Bewegungen sind dynamisch und spiegeln die Fertigkeit und Strategie wider, die für die Jagd notwendig waren. Auch andere Motive, wie geschwungene Wellenlinien, die als Geier im Landeflug interpretiert werden könnten, verweisen auf die scharfe Beobachtung der Natur. Das sogenannte „Spiders and Eggs“-Motiv, eine Kombination aus Wellenlinien und Punktstrukturen, deutet möglicherweise auf tiefere, rituelle oder symbolische Bedeutungen hin, die bis heute rätselhaft bleiben.

Die archäologischen Funde aus der Proto-Hassuna-Zeit liefern zudem wertvolle Hinweise auf den Umgang mit Tod und Bestattung in diesen frühen Gemeinschaften. In Sotto wurden neun Bestattungen entdeckt, die zumeist unter den Hausböden oder direkt neben den Behausungen angelegt waren – ein Zeichen dafür, dass der Tod und das Gedenken an die Verstorbenen ein integraler Bestandteil des häuslichen Raums und des alltäglichen Lebens waren. Interessanterweise betrafen acht dieser Bestattungen Kinder im Alter von etwa 1 bis 3 Jahren, was auf eine hohe Kindersterblichkeit schließen lässt. Die Bestattungen selbst sind von bemerkenswerter Komplexität: Die Körper wurden oft in kleinere Stücke zerlegt, um sie in Gefäße oder flache Gruben legen zu können. Diese Praxis deutet auf eine besondere Form der Totenrituale hin, die vielleicht den Raum im engen Hausumfeld oder die symbolische Transformation des Körpers zum Ziel hatte. Zwei der Bestattungen enthielten außergewöhnliche Grabbeigaben – Tierknochen und Schmuck, darunter Perlen aus Lapislazuli und eine verkrümmte Kupferplatte. Die Wahl der Grabbeigaben und das Vorhandensein von seltenen Materialien wie Lapislazuli deuten auf eine bewusste, wertvolle Ausstattung hin, die möglicherweise den sozialen Status, den Respekt oder das spirituelle Erbe der Verstorbenen widerspiegelte. Das Lapislazuli, ein strahlend blaues Mineral, das erst in späteren Hochkulturen wie der Sumerer- und Ägypterzeit eine besondere Bedeutung erlangen sollte, wurde bereits hier als wertvolles Schmuckmaterial genutzt und zeugt von frühen Handelsnetzwerken oder symbolischen Wertvorstellungen. So spiegeln die Wandbilder und Bestattungsrituale dieser Gemeinschaft eine komplexe kulturelle Identität wider, in der die Verbindung zur Natur, der rituelle Umgang mit dem Tod und die kreative Symbolik bereits in erstaunlich ausgereifter Form vorhanden waren.

keramischen Neolithikum

STECKBRIEF

01

Name

Umm Dabaghiyah-Sotto-Kultur

02

Zeitraum

ca. 6000–5750 v. Chr.

03

Region

Nordmesopotamien, insbesondere die Dschazīra-Ebene im heutigen Irak. Hauptfundorte sind Umm Dabaghiyah und Tell Sotto.

04

Kulturelle Einordnung

Frühzeit des Keramischen Neolithikums, Vorläufer der Hassuna-Kultur (auch als Proto-Hassuna-Kultur bezeichnet).

05

Architektur

  • Typisch rechteckige Gebäude aus ungebrannten Lehmziegeln oder durch Aufschichtung von feuchtem Lehm (Tauf-Bauweise).
  • Häufig stark verputzte Wände, Böden und Einrichtungsgegenstände wie Bänke und Herdstellen.
  • Zugang zu den Häusern überwiegend über die Dächer; vermutlich wurden diese als Arbeitsflächen genutzt.

06

Keramik

  • Einfache, handgefertigte Gefäße mit dicker, pflanzlich gemagerter Wandung, gebrannt bei niedrigen Temperaturen.
  • Dekoriert mit Ocker, poliert oder mit Ritzmustern versehen. Beliebte Muster: Punkte, Kreise, Dreiecke, Fischgräten.
  • Typische Formen: runde und ovale Schalen, doppelkonische Gefäße bis zu 50 cm Höhe.

07

Steininventar und Kleinfunde

  • Werkzeuge aus lokalem Silex und importiertem Obsidian aus Anatolien (Vansee, Göllü Dağ).
  • Gebrauchsgegenstände aus Marmor, Basalt und weichem Gestein wie Alabaster.
  • Schleuderprojektile, Perlen, und seltene Funde von Kupferobjekten.
  • Gips wurde für Architektur, Modellierungen und zur Herstellung einfacher Schalen verwendet.

09

Lebensweise

  • Gemeinschaften bestanden meist aus kleinen Dörfern von 20–30 Personen.
  • In den fruchtbaren Ebenen von Euphrat und Tigris betrieben sie Regenfeldbau und kultivierten Emmer, Einkorn, Gerste, Erbsen und Linsen.
  • Haustierhaltung umfasste Schafe, Ziegen, Rinder, Schweine und Hunde.
  • Spezialisiert auf die Großwildjagd, besonders in Umm Dabaghiyah; häufige Beute waren Gazellen, Onager und Auerochsen.

08

Rituelle Praktiken und Bestattungen

  • Wandmalereien in Umm Dabaghiyah zeigen Jagdszenen und möglicherweise Geier im Flug.
  • Bestattungen zumeist unter den Hausböden oder in der Nähe; Kinder wurden häufig in kleine Gefäße oder flache Gruben gebettet.
  • Einige Gräber enthielten Grabbeigaben, darunter Perlen aus Lapislazuli und Kupferplatten.

Keramisches Neolithikum Wichtige Fundorte

ÇATALHÖYÜK
ca. 7.100 – 5.700 v.Chr

TELL AS SAWWAN
ca. 6.300 – 4.800 v.Chr

Keramisches Neolithikum KULTUREN

Umm-Dabaghiyah-Sotto-Kultur

UMM-DABAGHIYAH SOTTO-KULTUR
ca. 6.000 – 5.800 v.Chr

HASSUNA-KULTUR
ca. 5.800 – 5.260 v.Chr

HALAF-KULTUR
ca. 5.900 – 5.000 v.Chr

SAMARRA-KULTUR
ca. 5.500 – 5.000 v.Chr

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